Kinderarmut: Verbände fordern Grundsicherung

von Carsten Griese

Sonntag, 24.07.2016

Mutter und Tochter laufen eine einsame Straße hinunter
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Der Bundesverband alleinerziehender Mütter und Väter (VAMV) fordert eine Kinder-Grundsicherung von 600 Euro monatlich und Verbesserungen beim Unterhaltsvorschuss.

Kindergeld, Freibeträge, Kinderzuschlag, Bildungs- und Teilhabepaket – Vater Staat tut viel für Familien mit Kindern. Aber: es gibt zu viele verschiedene Zuständigkeiten, und manche Leistungen kommen bei den Familien gar nicht erst an.

Beispiel Kindergeld: Während die Arzt- oder Unternehmerfamilie unabhängig vom Einkommen das volle Kindergeld erhält, wird es bei Familien, die Hartz-4 beziehen, als Einkommen gewertet und entsprechend angerechnet. "Auch das Elterngeld wurde mit der Reform 2011 für Hartz IV Bezieher quasi gestrichen, da es nun auch vollständig auf die Leistungen angerechnet wird", heißt es auf der Internetseite www.hartziv.org . Heftige Kritik gibt es auch an dem 2011 eingeführten Bildungs- und Teilhabepaket für die 2,7 Millionen von Armut betroffenen Kinder in Deutschland. Viele Eltern wüssten laut Kinderschutzbund nicht, dass sie leistungsberechtigt sind, etliche scheiterten schon an der Antragstellung. Auch Schulen und Kindergärten kritisieren den bürokratischen Aufwand, um Zuschüsse zum Mittagessen, zu Ausflügen oder Klassenfahrten zu bekommen. Für Bildung und Teilhabe wurden 2014 rund 530 Mio. Euro ausgegeben – davon 180 Mio. allein für den Verwaltungsaufwand.

Nachdem die Bertelsmann-Stiftung Anfang Juli 2016 eine Studie vorstellte, nach der Alleinerziehende ein deutlich höheres Armutsrisiko haben, als zusammen lebende Eltern, hat die Diakonie Deutschland ihre Forderung nach einer besseren Grundförderung für alle Kinder und Jugendlichen erneuert. Statt vieler einzelner Leistungen plädierte Maria Loheide vom Diakonie-Vorstand für eine einheitliche finanzielle Grundsicherung. Die Diakonie und mehr als 30 weitere Verbände und Nichtregierungsorganisationen sowie Experten aus Wissenschaft und Kirchen appellieren in einem Aufruf an die Politik, Armut und Ausgrenzung von Kindern und Jugendlichen wirksam zu bekämpfen.

Auch der Bundesverband alleinerziehender Mütter und Väter (VAMV) hat den Aufruf unterzeichnet und macht sich für eine allgemeine Kindergrundsicherung stark, um die wachsende Kinderarmut zu bekämpfen. Die stellvertretende Bundesvorsitzende des VAMV, Erika Biehn, erklärte dazu im Interview mit der Redaktion PEP: "Kindergrundsicherung heißt bei uns, dass die Leistungen, die bisher vom Staat an Kinder gezahlt werden, alle zusammengefasst werden und in einer Leistung an alle Kinder ausgezahlt wird. Es gäbe dann kein Kindergeld mehr, es gäbe keine Ausbildungsbeihilfe mehr, es gäbe diesen Steuervorteil nicht mehr in der Form, (…) das wird dann zu einem Paket zusammengefasst, und wir diskutieren zur Zeit um einen Betrag von ca. 600 Euro."

Um das Armutsrisiko für alleinerziehende Familien zu senken, fordert der VAMV außerdem eine Reform des Gesetzes zum Unterhaltsvorschuss. In der Regel sind es Väter, die den Unterhalt für ihre geschiedene Frau und die Kinder nicht zahlen wollen oder können. In diesen Fällen springt der Staat ein. Für Kinder bis zu 5 Jahren zahlt er monatlich 145 Euro, bei Kindern von 6 bis 11 Jahren sind es monatlich 195 Euro. Allerdings wird dieser Unterhaltsvorschuss maximal 72 Monate gezahlt und nur bis zur Vollendung des zwölften Lebensjahres (12. Geburtstag) des Kindes. Hier fordert der Bundesverband alleinerziehender Mütter und Väter nach Angaben von Erika Biehl eine Verlängerung bis zum 18. Lebensjahr bzw. bis zum Ende der ersten Ausbildung.

Der VAMV hat rund 9000 Mitglieder und vertritt bundesweit die Interessen von drei Millionen alleinerziehender Eltern. In NRW unterhält der Verband Beratungsstellen in Aachen, Düsseldorf, Essen und Münster. In der Essener Beratungsstelle ist Erika Biehn für alleinerziehende Eltern da. Sie ist stellvertretende Bundesvorsitzende und zugleich Vorsitzende des Essener Verbandes. Vor 37 Jahren wurde sie Mitglied im VAMV: "Ich bin dazu gekommen nach meiner Scheidung. Ich hatte zwei kleine Kinder, die waren 5 und 7 Jahre alt als ich geschieden wurde und hatte sehr schlechte Erfahrungen während meiner Ehe gemacht und suchte eigentlich neue Freundschaften, neue Bekanntschaften. Also musste ich mir ein neues Leben aufbauen und da bin ich auf den VAMV gestoßen."
Sonntag, 24.07.2016