Kirchentag: "Vertrauen ist immer ein Risiko"
Donnerstag, 20.06.2019
Das Motto des 37. Deutschen Evangelischen Kirchentages in Dortmund lautet "Was für ein Vertrauen". Ohne Fragezeichen, ohne Punkt, ohne Ausrufezeichen. Deshalb lässt dieses Bibelwort aus dem Buch der Könige viele Lesarten zu.
Im Interview mit der Redaktion PEP sagt Annette Kurschus, die Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen (EKvW), über das Motto: "Das ist stark, das ist genau richtig jetzt und das ist auch mutig. Stark, weil ich finde, dass Vertrauen ein sehr tiefer Begriff ist, der viele Ebenen anspricht und den man gar nicht leichtfertig behandeln kann. Genau richtig heißt: Das ist ein hochaktuelles Thema, das merke ich in allen Gesprächen, ob auf politischer Ebene, ob auf sehr persönlicher Ebene - Vertrauen ist das Thema unserer Zeit. Und mutig finde ich das Motto deshalb, weil es so offen formuliert ist. Man weiß ja nicht, ist das eine Frage, ist das eine Feststellung, ist das ein Ausruf, ist das möglicherweise sogar eine hämische Anklage - all das kann es sein. Das finde ich sehr mutig, weil es ja das Vertrauen so infrage stellen kann, dass man fragen kann, wie geht ihr eigentlich mit dem Vertrauen um, das in euch gesetzt wird? Nicht nur: Habt ihr genug Gottvertrauen oder wie tragt ihr das Gottvertrauen in die Welt, sondern geht ihr mit dem Vertrauen, dass man euch entgegen bringt, eigentlich sorgsam um? All das beinhaltet dieses Motto und ich bin sehr gespannt."
Als leitende Theologin der EKvW gehört Annette Kurschus qua Amt zum Kirchentagspräsidium. Ihre Landeskirche unterstützt den Kirchentag mit gut fünf Millionen Euro und trägt damit etwa ein Viertel der Gesamtkosten. Auch an der Entwicklung des Kirchentagsmottos war die 56jährige Theologin beteiligt: "Das war für mich eine sehr bewegende Erfahrung, weil es ja ein Motto ist, dass uns die Jugend-Delegierten im Präsidium ans Herz gelegt haben. Die haben gesagt: Wir wollen kein Motto, das so vollmundig und so glaubensgewiss daherkommt. Für uns ist im Moment ganz vieles im Schwimmen, und als erstes Mal der Glaube. Wir fragen uns, wie trägt uns eigentlich der Glaube in dieser Welt? Und wir möchten eher ein Motto, dass uns mit dieser Frage und mit diesem Unsicherheitsgefühl ernst nimmt. Und das nicht einfach sagt »Habt doch Vertrauen«, sondern dass zumindest anklingen lässt: Vertrauen ist gar nichts Selbstverständliches."
Wenn man über Vertrauen spreche – so Kurschus weiter im PEP-Interview – klinge auch immer das Thema Sicherheit mit an: "Vertrauen ist ein Begriff, der damit zu tun, dass ich mich verlasse. Ich verlasse mich auf etwas, ich verlasse mich auf jemanden, also ich gehe davon aus: Das ist gewiss, das ist fest. Und zugleich ist darin ja ein »ich verlasse mich selbst«. Ich begebe mich schon auch auf unsicheren Boden. Vertrauen ist immer gewagt. Im Vertrauen ist immer ein Risiko, sonst wäre es kein Vertrauen. Das macht das Vertrauen so stark, das macht es zugleich aber auch so fragil und verletzlich und brüchig. Vertrauen kann enttäuscht werden. Ich kann auf das Falsche oder auf den Falschen vertrauen. Ich kann vertrauen und plötzlich merken, ooh das hätte ich nicht tun dürfen. Das hat mich getrogen dieses Vertrauen. Also es ist eine gewagte Sache und gerade deshalb auch so stark, weil auch Gottvertrauen heißt nicht nur: Ich verlasse mich auf Gott, ich vertraue ihm. Ich sehe es auch so, dass Gott uns vertraut. Gott hat uns die Erde anvertraut, Gott hat uns das Zusammenleben unter den Menschen anvertraut, indem er es auch in unsere Hände legt und damit zu einer Sache unseres Verhaltens und unsere Einstellung macht. Da ist auch ganz viel Vertrauen Gottes in uns, was für mich eine Verantwortung mit sich bringt - eine christliche Verantwortung."