Mit Rollator und Promis auf Geschichtenfang
Sonntag, 11.07.2021
In der Corona-Pandemie haben viele Menschen das Spazierengehen für sich entdeckt. Stefan Ludwig ist dagegen schon viel länger „per pedes“ unterwegs. Für ihn und seine spastische Gehbehinderung ist es ein wichtiges Training – und noch etwas mehr.
Vor einigen Jahren hat der gebürtige Wittener damit begonnen, sich für seine Spaziergänge rund um den Dortmunder Phoenixsee „Mitläufer“ einzuladen. Dadurch traf er Menschen aus Kultur, Sport, Medien und Gesellschaft, die viel zu erzählen haben - darunter den früheren EKD-Ratsvorsitzenden Nikolaus Schneider, den WDR-Wellenchef Jochen Rausch, den Comedian Bernhard Hoecker oder auch den Zehnkämpfer Frank Busemann. Die Protokolle dieser Gespräche über Gott und die Welt hat Stefan Ludwig seit 2016 in drei Büchern jeweils mit dem Titel „52 Runden“ veröffentlicht.
Das jüngste Buch der Reihe trägt den augenzwinkernden Untertitel „Spast mit Gast“ und ist im November 2020 erschienen. Ein Leser schreibt darüber bei amazon.de: „Hut ab vor dieser Buchidee, vor der Umsetzung und vor der Kunst, diese kurzweiligen und dennoch ausführlichen Geschichten aus Menschen herauszukitzeln, denen man so nah wohl sonst nicht kommt. Stefan Ludwig tut mit seinen 52 Laufrunden hier nicht nur etwas für seine Gesundheit, er begegnet ebenso offen und positiv auch Menschen unseres Zeitgeschehens. Hierbei entstehen Einblicke in deren Leben, die man so vielleicht nicht erwartet hätte. Es ist ein wenig, als würde man selbst mit diesen Leuten spazieren gehen.“ Seit Kurzem gibt es die Gespräche von Stefan Ludwig mit seinen Gästen auch als Podcast – zum Beispiel unter https://anchor.fm/spastmitgast
Bei seinen Spaziergängen, die nach einem beruflich bedingten Umzug inzwischen in Berlin stattfinden, ist der 43Jährige auf einen Rollator angewiesen. Ludwig ist froh, dass er sich nach einigen Stürzen dadurch seine Mobilität erhalten konnte: „Wer sagt: »Ein Rollator? Da sehen ja andere, dass ich was habe, das will ich nicht!« Dem sage ich: Hey, halte dir deinen eignen Radius weit! Weil damit kannst Du viel mehr Dinge, die Du sonst vielleicht nicht mehr kannst!“
Praktisch von Geburt an musste Stefan Ludwig seine Kämpfernatur unter Beweis stellen. Als er 1978 zur Welt kam, galt er als „Frühchen“ und musste im Brutkasten aufgepäppelt werden. Hier kam es zu einem Atemstillstand: „Tatsächlich ist daraus eine spastische Gehbehinderung resultiert, die mein Leben dann so geprägt hat, dass ich die ersten 14 Jahre nur auf Zehenspitzen unterwegs war und dass ich nicht freihändig stehen konnte.“
Eine Operation brachte schließlich die große Veränderung: Endlich konnte Stefan Ludwig alleine stehen, auch das Laufen mit Hilfsmitteln wurde möglich. Und er ging seinen Weg: wurde Verlagskaufmann, arbeitete als Journalist, schließlich machte er sich in der Eventbranche selbständig – und scheiterte. Zweimal musste er Insolvenz anmelden. Aber aufgeben war für ihn nie eine Option: „Herausforderungen sind manchmal schweißtreibend und anstrengend, und ich will gar nicht sagen, dass es für mich nur Sonnentage gibt – es gibt auch graue. Aber es gibt immer Möglichkeiten, sich weiterzuentwickeln. Man darf ja zum Glück immer weitergehen, es darf dann auch mal ne Kurve sein.“