Morgen: 95. Geburtstag von Benedikt XVI.

von Stefan Klinkhammer

Freitag, 15.04.2022

Platzhalterbild
Beitrag anhören

Collage KiP-NRW

Frühjahr 1927. Kalt muss es gewesen sein, als am 16. April in Marktl am Inn Joseph Ratzinger zur Welt kam. Der Kalender zeigte Karsamstag an, und ein solcher ist es auch in diesem Jahr, wenn der emeritierte Papst Benedikt XVI. 95 Jahre alt wird. ...

INFO: Vor 95 Jahren, am 16. April 1927, einem Karsamstag, kam Joseph Ratzinger im oberbayerischen Marktl am Inn als jüngstes von drei Kindern eines Gendarmen zur Welt. Der junge, schüchterne Priester aus Bayern bewies bald theologische Brillanz und füllte die größten Hörsäle. Dies veranlasste den damaligen Kölner Kardinal Josef Frings, den gerade 35-Jährigen zu seinem Berater beim Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) zu machen. 1977 wurde Joseph Ratzinger nach mehreren Professuren von Papst Johannes Paul II. zum Erzbischof von München und Freising und nur vier Jahre später zum Präfekten der Römischen Glaubenskongregation berufen, galt Kritikern als „Panzerkardinal“ oder „Wachhund Gottes“. Nach dem Tod von Papst Johannes II. wählte das Kardinalskollegium am 19. April 2005 den bereits 78-Jährtigen zum Nachfolger. „Das Fallbeil“, sei auf ihn niedergegangen, erklärte er damals. In Erinnerung an den Friedenspapst Benedikt XV. nahm er den Namen Benedikt XVI. an und viele sprachen von einem „Papst des Übergangs“. Nach knapp acht Amtsjahren verkündete er als erster Papst seit 718 Jahren überraschend seinen Rücktritt und lebt schon seit fast einem Jahrzehnt zurückgezogen als „Papst im Ruhestand“ im ehemaligen Kloster „Mater Ecclesiae“ in den vatikanischen Gärten.

Die KNA veröffentlichte eine Zeitleiste zum 95. Geburtstag von Joseph Ratzinger/Benedikt XVI. und zeichnete Stationen eines langen Lebens nach:

16. April 1927: Geburt von Joseph Ratzinger in Marktl am Inn. Kindheit und Jugend in Traunstein im Chiemgau

1945: Kurz vor Kriegsende wird er als Minderjähriger zum Flakhelfer eingezogen. Er desertiert.

1946 bis 1951: Studium der Philosophie und Theologie in Freising und München, Priesterweihe

1953: Dozent für Dogmatik und Fundamentaltheologie in Freising

1957: Habilitation in München über „Die Geschichtstheologie des heiligen Bonaventura“

ab 1959: Professor in Bonn (bis 1963), Münster (bis 1966), Tübingen (bis 1969) und Regensburg (bis 1977)

1962-1965: Beim Zweiten Vatikanischen Konzil theologischer Berater des Kölner Kardinals Josef Frings. Ratzinger prägt zentrale Konzilsdokumente mit.

25. März 1977: Ratzinger wird Erzbischof von München und Freising. Als Motto wählt er „Mitarbeiter der Wahrheit“.

1981: Papst Johannes Paul II. beruft ihn zum Präfekten der Römischen Glaubenskongregation.

1984 und 1986: In zwei Instruktionen über die Befreiungstheologie grenzt Ratzinger kirchliche Lehre und Marxismus scharf voneinander ab.

1992: Der unter seiner Führung erarbeitete „Katechismus der katholischen Kirche“ erscheint.

2000: Seine Erklärung „Dominus Iesus“ betont die Einzigartigkeit Jesu Christi und die theologische Sonderstellung der katholischen Kirche. Sie sorgt für weltweite Debatten und belastet die Beziehungen zu evangelischen Kirchen.

2002: Dekan des Kardinalskollegiums

2004: viel beachtete Diskussion mit dem Philosophen Jürgen Habermas in München

2. April 2005: Johannes Paul II. stirbt. Als Kardinaldekan zelebriert Ratzinger die Totenmesse (8. April) und leitet das Konklave. Er eröffnet es am 18. April mit einer Kampfansage an eine „Diktatur des Relativismus“.

19. April 2005: Wahl zum Papst. Er nennt sich Benedikt XVI., in Erinnerung an den Friedenspapst Benedikt XV. und den Ordensgründer Benedikt von Nursia.

August 2005: Bei seiner ersten Auslandsreise bereitet der Weltjugendtag in Köln dem „deutschen Papst“ einen begeisterten Empfang.

Dezember 2005: erste Enzyklika „Deus caritas est“

Mai 2006: Benedikt XVI. reist in die Heimat Johannes Pauls II. In Auschwitz gedenkt der „deutsche Papst“ der NS-Opfer.

September 2006: Benedikt XVI. besucht Bayern. Sein Vortrag in der Regensburger Universität löst durch ein Zitat über Mohammed weltweite Debatten aus. Der Vatikan startet Dialog-Initiativen mit dem Islam.

November/Dezember 2006: Türkei-Reise; Versöhnungsgesten gegenüber dem Islam, darunter ein Besuch in der Blauen Moschee in Istanbul

16. April 2007: An seinem 80. Geburtstag erscheint „Jesus von Nazareth“ als erster von drei Bänden über Jesus.

Juli 2007: Benedikt XVI. erlaubt die Feier der alten Form der lateinischen Messe als „außerordentliche Form“.

April 2008: In den USA spricht er im Weißen Haus und am Sitz der UN in New York.

Januar 2009: Benedikt XVI. nimmt die Exkommunikation für die Bischöfe der Piusbruderschaft zurück. Zeitgleich wird bekannt, dass einer von ihnen den Holocaust leugnet. Auf den Skandal reagiert Benedikt XVI. mit Absagen an den Antisemitismus. Er kritisiert fehlenden Rückhalt in den eigenen Reihen.

Mai 2009: Pilgerfahrt ins Heilige Land

Juli 2009: Sozialenzyklika „Caritas in veritate“ zu Aspekten der Globalisierung und der Finanzkrise

2010: Neue Enthüllungen über frühere Missbrauchsfälle erschüttern die katholische Kirche in Deutschland und Österreich. Viele Katholiken verlassen die Kirche.

März 2011: zweiter Band der Jesus-Trilogie

September 2011: dritte und letzte Deutschland-Reise im Amt; rechtsphilosophische Rede im Bundestag; Freiburger Rede gegen eine „Verweltlichung“ der Kirche in Deutschland

September 2012: letzte Auslandsreise (Libanon)

Oktober 2012: Weltbischofssynode zum Thema Neuevangelisierung. 50 Jahre nach Beginn des Konzils eröffnet Benedikt XVI. ein „Jahr des Glaubens“.

November 2012: letzter Band der „Jesus-Trilogie“

Februar 2013: Benedikt XVI. kündigt am 11. seinen Amtsverzicht wegen schwindender körperlicher und geistiger Kräfte an. Am 28. Februar legt er sein Amt nieder und zieht sich nach Castel Gandolfo zurück. Im Mai bezieht er das ehemalige Kloster „Mater Ecclesiae“ in den vatikanischen Gärten. Er lebt zurückgezogen, empfängt aber auch Besuch, darunter wiederholt seinen Amtsnachfolger Franziskus.

2016: Der Journalist Peter Seewald veröffentlicht die Mitschrift seiner „Letzten Gespräche“ mit Benedikt XVI. Darin erläutert dieser die Gründe für seinen Rücktritt.

2017: Der 90-Jährige stürzt in seiner Wohnung.

2019: Ein Aufsatz zum sexuellen Missbrauch in der Kirche sorgt für Aufsehen. Der emeritierte Papst meint, die gesamtgesellschaftliche Liberalisierung der Sexualmoral in den 60er Jahren habe die Ausbreitung von Missbrauch unter Klerikern begünstigt.

2020: Im Januar warnt Benedikt XVI. in einem Buch seinen Nachfolger Franziskus vor einer Aufweichung des Zölibats. Die „FAZ“ schreibt, damit sei „der Geist der Kirchenspaltung aus der Flasche“. Im Juni macht der Bayer einen Abschiedsbesuch bei seinem sterbenden Bruder Georg (96) in Regensburg; der erste Deutschland-Besuch seit 2011.

2022: Ein Missbrauchsgutachten für das Erzbistum München-Freising im Januar belastet amtierende und frühere Amtsträger, darunter auch Benedikt XVI. Ratzinger habe sich als Münchner Erzbischof (1977-1982) in vier Fällen fehlerhaft verhalten. Völlig gefehlt habe die Sorge um die Opfer. Zudem erweist sich eine Aussage zu einem besonders brisanten Fall als falsch. Betroffenenvertreter reagieren entsetzt, die Medien mit teils ätzender Kritik. Benedikt XVI. muss sich persönlich erklären; die öffentliche Kontroverse dauert über Wochen an.

Freitag, 15.04.2022