Nach dem Hochwasser: Gott unsere Hände geben

von Johanna Risse

Sonntag, 29.08.2021

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Überschwemmung im Rhein-Erft-Kreis

Beim ökumenischen Gedenkgottesdienst im Aachener Dom wurde am Samstag an die Opfer der Flutkatastrophe erinnert. Vor gut sechs Wochen trafen die Regenmassen viele Orte in NRW. Und noch längst ist es nicht vorbei, die Hilfe geht weiter...

INFO: Die Flut hat vielen das Liebste genommen. Die ältere Generation spricht von Zuständen wie nach dem Zweiten Weltkrieg. Überall zerstörte Straßen und unbewohnbare Häuser. Auch die Kirche in Rheinbach wurde schwer getroffen. Und doch erfahren auch die Rheinbacher eine enorme Hilfsbereitschaft in diesen Tagen. Menschen brachen Ihren Urlaub ab, fuhren hunderte von Kilometern, um zu helfen. Auch Kirchenvertreter versuchen nach wie vor Trost zu spenden. In Gottesdiensten, bei Besuchen in überschwemmten und zerstörten Gebieten sowie als Notfallseelsorger bekunden sie den Menschen Solidarität und leisten Unterstützung, auch finanzieller Art. „Der Herrgott hat keine Hände – er hat nur unsere Hände“ sagte eine Helferin in St. Martin Flerzheim beim Anblick einer Christus-Statue, der durch die Flut die Hände abgetrennt wurden. Und füreinander da sein, heißt es jetzt mehr denn je. Zuhören, Trost spenden, mit anpacken. Die Möglichkeiten, Gott unsere Hände in diesen Tagen „zu geben“ sind so vielfältig wie die Menschen selber. Ein Ortsbesuch in Rheinbach. 

Bundestag gedachte der Opfer der Flutkatastrophe: (KNA) Der Bundestag hat am Mittwoch mit einer Schweigeminute der Opfer der Hochwasserkatastrophe in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz gedacht. „Die Zahl der Menschen, die in den Fluten starben oder noch immer vermisst sind, ist erschütternd. Ihren Hinterbliebenen gilt unser Mitgefühl“, sagte Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble zur Eröffnung der Sondersitzung des Bundestages, bei der es auch um das „Sondervermögen Aufbauhilfe 2021“ging. Schäuble erinnerte an die hunderten Verletzten; „Familien verloren ihr Zuhause, Landwirte Vieh und Felder, Winzer und Obstbauern ihre Ernte, Betriebe ihre Produktionsanlagen“. Von der Rückkehr zu einem geregelten Alltag seien die Menschen weit entfernt und bräuchten unbürokratische Überbrückungs- und Wiederaufbauhilfen. Der Klimawandel verlange einschneidende Veränderungen und kluge Eingriffe in unsere Lebensweise, so Schäuble. „Kurzfristig brauchen wir eine deutlich bessere Vorsorge, um auf Extremsituationen schneller reagieren zu können. Das ist eine Frage der Verantwortung für nachfolgende Generationen - und auch das ist Mitmenschlichkeit“. Zugleich habe die Not „die besten Kräfte in der Gesellschaft“ freigesetzt. „Privatleute, Rettungskräfte und Angehörige der Bundeswehr arbeiteten in den überschwemmten Orten Hand in Hand“, so Schäuble. „Der Zusammenhalt in der Gesellschaft ist offenbar größer, als wir oft wahrnehmen“. Er dankte zugleich den Hilfsorganisationen und den vielen freiwilligen Helfern. Sie hätten ihre eigenen Interessen zurückgestellt und Verantwortung gezeigt.

Ökumenischer Gottesdienst für die Opfer der Flutkatastrophe: Auf Einladung der evangelischen und der katholischen Kirche sowie den in der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen (ACK) zusammengeschlossenen Kirchen fand am Samstag, 28. August 2021, im Hohen Dom zu Aachen ein ökumenischer Gottesdienst für die Opfer der Flutkatastrophe statt. Er wurde gefeiert vom Vorsitzenden des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Landesbischof Dr. Heinrich Bedford-Strohm, dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Dr. Georg Bätzing, dem Vorsitzenden der ACK, Erzpriester Radu Constantin Miron sowie mit Vertreterinnen und Vertretern anderer Religionen. Im Anschluss an den Gottesdienst sprach Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Zum Gottesdienst eingeladen waren Betroffene der Flutkatastrophe, Helferinnen und Helfer, Notfallseelsorgerinnen und -seelsorger sowie die Verfassungsorgane, Vertreterinnen und Vertreter der Bundesländer und Repräsentantinnen und Repräsentanten der betroffenen Nachbarländer.

Sonderkollekte im Bistum Aachen zugunsten der Flutopfer: Angesichts der dramatischen Hochwasser-Katastrophe plante das Bistum Aachen für das Wochenende, 28. und 29. August, eine bistumsweite Sonderkollekte zugunsten der Flutopfer. Alle 326 Pfarreien der Diözese beteiligen sich an der Solidaritätsaktion. „Das Wasser ist verschwunden. Doch die wirklichen Folgen sind immer noch nicht absehbar. Menschen trauern um ihre Angehörigen, stehen vor den Trümmern ihrer Existenz. Wir als Kirche wollen ihnen ganz konkret weiterhelfen“, betont Generalvikar Dr. Andreas Frick. Seit der Flutkatastrophe sind im Bistum Aachen zahlreiche Notfallseelsorgerinnen und Notfallseelsorger im Einsatz, um vom Hochwasser Betroffene zu betreuen, ihnen zuzuhören und sie zu unterstützen. Ungezählte ehrenamtliche Helferinnen und Helfer aus Pfarreien und Gemeinden packen außerdem beim Aufräumen mit an, verteilen Lebensmittel und dringend Benötigtes. Auch Kirchengemeinden selbst zeigen sich solidarisch: Nicht vom Hochwasser betroffene Pfarreien etwa übernehmen Patenschaften, sammeln Spenden und stellen selbst finanzielle Hilfe zur Verfügung. „Diese Solidarität, dieses Zusammenstehen ist wirklich großartig! Ihnen allen, die wie auch immer im Einsatz, die helfen, die spenden, sich engagieren gilt unser besonderer Dank“, betont Generalvikar Dr. Andreas Frick, der wie Bischof Dr. Helmut Dieser selbst in den Flutgebieten vor Ort war.
Die Sonderkollekte zugunsten der Flutopfer ergänzt die umfangreichen finanziellen Hilfen, die bereits jetzt zur Verfügung stehen. Direkt nach der Flutkatastrophe hat das Bistum Aachen einen Solidaritätsfonds für vom Hochwasser betroffene Kinder und Familien eingerichtet, um den Menschen schnell und unbürokratisch zu helfen. Gespendet werden kann auf das Konto der Pax-Bank: IBAN: DE72 3706 0193 1000 1000 60, BIC:GENODED1PAX. Bisher sind dort 330.000 Euro eingegangen.
Der Caritasverband für das Bistum Aachen bewirtschaftet die Spendengelder gemeinsam mit den Caritasverbänden für die Regionen Eifel, Aachen-Stadt und Aachen-Land, Düren-Jülich und Heinsberg sowie mit dem SkF Stolberg. Anlaufstellen für die Beantragung der Mittel in den betroffenen Gebieten sind die Kirchengemeinden, die katholischen Tageseinrichtungen für Kinder, die Schulen des Bistums Aachen sowie die Verbände der Caritas im Bistum Aachen mit ihren Einrichtungen. Sie beraten vom Hochwasser betroffene Menschen und nehmen die Anträge entgegen. Zusätzlich stellt das Bistum Aachen selbst zehn Millionen Euro in einem Nothilfefonds zur Verfügung. Dieser Fonds soll in den kommenden Monaten eingesetzt werden, wenn auch die Ausmaße der Schäden an den kirchlichen Einrichtungen beziffert werden können. Dazu zählen Kindergärten, Schulen und Kirchen sowie alle Einrichtungen, die notwendig sind, um die Begegnung im Gemeindeleben zu ermöglichen. Weitere Informationen: www.bistum-aachen.de/Die-Hochwasser-Katastrophe-2021-im-Bistum-Aachen/

Hilfe für Betroffene der Unwetterkatastrophe im Erzbistum Köln: Um den Betroffenen in der akuten Notsituation unkompliziert helfen zu können, wurde der Fonds des Erzbistums für Flüchtlings- und Nachbarschaftshilfe für die Opfer der Unwetterkatastrophe geöffnet und mit Geldern aus Sondermitteln aufgestockt. Nach Bedarf kann der Fonds weiter angepasst und aufgestockt werden. Für zusätzliche erste Sofortmaßnahmen hat das Erzbistum Köln bislang 1 Million Euro zur Verfügung gestellt (Stand: 12.08.2021). Vorrangig werden Maßnahmen vor Ort finanziert. So konnte mit den Mitteln aus dem Fonds eine erste provisorische Infrastruktur in den betroffenen Orten und Einrichtungen errichtet werden. Obdachlos gewordene Menschen, Einsatzkräfte und Helfer wurden ohne großen organisatorischen Aufwand mit dem Notwendigsten versorgt. Neben der Verpflegung der Helfergruppen, wurden - von Eimern über Schutzmaterial für die Helfenden bis hin zu Pumpen - notwendige Hilfsgeräte angeschafft und schwere Geräte angemietet. Gleichzeitig haben der Diözesan-Caritasverband und zahlreiche Kirchengemeinden dezentral und im gesamten Erzbistum Köln Projekte und Spendenaktionen ins Leben gerufen sowie in den Sonntagskollekten Geld für die Flutopfer gesammelt. Die Koordinierung der Hilfszahlungen an die Bedürftigen liegt in der Hand der jeweiligen Einrichtungen der Caritas vor Ort.

Neben der finanziellen Soforthilfe leistet das Erzbistum Köln stehen seit dem 16. Juli zudem in den verschiedensten Einrichtungen des Erzbistums – wie dem Collegium Albertinum und den Tagungs- und Bildungshäusern – täglich 60 Zimmer für die Unterbringung von durch die Flut obdachlos gewordene Menschen zur Verfügung. Bislang wurden 286 Übernachtungsmöglichkeiten vermittelt, wovon 78 bereits stattgefunden haben. Weitere Übernachtungsmöglichkeiten wurden für die bis zu 80 Einsatzkräfte des THW, der Feuerwehr und der Bundespolizei geschaffen. Sie nutzten die katholische Jugendbildungsstätte Steinbachtalsperre als Basis für die Einsätze im Gebiet rund um die Talsperre. Mehr: Hilfs-und Serviceleistungen für betroffene Einrichtungen und Gemeinden.

Kölner Caritas zahlte bislang 1,6 Millionen Euro an Flutopfer aus: Die Verbände der Caritas im Erzbistum Köln haben mittlerweile mehr als 1,6 Millionen Euro an Flutopfer ausgezahlt. Bearbeitet worden seien rund 2.000 Anträge auf Soforthilfen und Haushaltsbeihilfen bis zu jeweils 5.000 Euro, wie der Sozialverband am Mittwoch in Köln mitteilte. Mit dem Geld hätten Betroffene zum Beispiel neue Haushaltsgeräte oder Verteilerkästen für die Elektronik kaufen können. „Unser Ziel, die größte Not der Menschen zu lindern und ihnen eine erste finanzielle Überbrückungshilfe zu geben, haben wir erreicht“, sagte Verwaltungsdirektor Helmut Loggen. 1,4 Millionen Euro der bisherigen Gesamtsumme stammen dem Diözesanverband zufolge aus Spendengeldern von Caritas international, der Rest überwiegend aus der Aktion „NRW hilft“. Zu den auszahlenden Verbänden zählen auch der Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) und der Sozialdienst Katholischer Männer (SKM) im Erzbistum Köln. „Nach der Nothilfe geht es nun darum, die Menschen längerfristig zu begleiten“, sagte Loggen. „Der Wiederaufbau ihrer Wohnungen und Häuser, die Lebensplanung und die Bewältigung des Schreckens stehen nun an.“ Die Caritas im Erzbistum Köln plane, Koordinierungsbüros für Betroffene in den Flutregionen einzurichten. Diese sollten als erste Anlaufstellen für weitergehende Hilfe und psychosoziale Begleitung dienen. Caritas-Ansprechpartner für Flutopfer: Die örtlichen Caritas-Einrichtungen bieten Beratung für Betroffene an und unterstützen bei der Beantragung von Soforthilfen:

 

Die Telefonseelsorge ist rund um die Uhr zu erreichen unter den kostenfreien Rufnummern 0800 111 0 111 und 0800 111 0 222.

Aktion Lichtblicke: Für nachbarschaftliche Hilfe in NRW und Solidarität mit Kindern und Jugendlichen in Not steht seit über 20 Jahren die Aktion Lichtblicke. Seit 1998 unterstützen sie in ganz NRW Kinder, Jugendliche und ihre Familien, die materiell, finanziell oder seelisch in Not geraten sind. Ins Leben gerufen wurde die Aktion von den 45 NRW-Lokalradios, dem Rahmenprogramm radio NRW, den Caritasverbänden der fünf NRW-Bistümer sowie der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe. Um den Betroffenen der Jahrhundert-Unwetter und der damit verbundenen Flutkatastrophe zu helfen, haben die Träger der Aktion eine Sonderaktion aufgelegt. Der aktuelle Spendenstand der Unwetter-Hilfe beträgt 10.760.503,87 Euro (25.8.2021). Folgende Voraussetzungen müssen erfüllt sein, um Spendenmittel im Rahmen der Unwetter-Hilfe zu erhalten: Es muss mindestens ein Kind unter 23 Jahren im Haushalt leben, der dauerhafte Wohnsitz muss in NRW liegen und es sind Schäden an Haus/Wohnung und Hausrat durch die Flutkatastrophe vom 14./15. Juli 2021 entstanden. Hier geht es zum Antragsformular. Mehr: https://lichtblicke.de/unwetter-hilfe/

Sonntag, 29.08.2021