Nach der Krise: Normalität oder Neuanfang?
Sonntag, 28.06.2020
Am 3. Juni 2020 haben die Minister und Fraktionsspitzen der Bundesregierung ein 130 Milliarden Euro schweres Konjunkturprogramm vorgestellt, das den privaten Konsum, kommunale Investitionen und die Wirtschaft nach Corona wieder in Schwung bringen soll.
Zu den wichtigsten Punkten des Programms gehört eine zeitlich befristete Senkung der Mehrwertsteuersätze von 19 auf 16 Prozent bzw. von sieben auf fünf Prozent beim ermäßigten Satz. Allein hierfür sind 20 Milliarden Euro veranschlagt. Die Absenkung gilt vom 1. Juli bis 31. Dezember 2020. Die Regierung hofft, dass Handel und Wirtschaft diese Steuersenkung in Form von niedrigeren Preisen an die Kunden weitergibt und so der private Konsum steigt.
Einen ähnlichen Effekt erhofft man sich von dem beschlossenen Bonus von 300 Euro pro Kind, das zusammen mit dem Kindergeld an die Familien ausgezahlt werden soll. Der Betrag soll bei Hartz-4-Empfängern nicht auf die Grundsicherung angerechnet werden und ihnen damit in voller Höhe zugute kommen. Experten gehen davon aus, das vor allem kleine und mittlere Einkommensbezieher das Geld nicht sparen sondern schnell ausgeben und damit Nachfrage erzeugen werden.
Das Konjunkturprogramm sieht außerdem vor, dass der Bund die Hälfte der ausgebliebenen Gewerbesteuern in den Kommunen ersetzt. Die andere Hälfte sollen die Ländern tragen. Damit sollen die Kommunen finanzielle Spielräume für Investitionen in die Infrastruktur vor Ort erhalten. Solche öffentlichen Aufträge – etwa für Bau oder Sanierung von Schulen und Kindergärten – sollen die kommunale Wirtschaft wieder in Schwung bringen.
Die im Vorfeld der Beratungen ins Spiel gebrachten Kaufprämien für Autos wird es dagegen nicht geben. Käufer von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor können allenfalls von der geplanten Mehrwertsteuersenkung profitieren. Wer ein E-Auto, Plug in- oder Hybrid-Auto kauft, wird dagegen vom Staat mit einer Prämie unterstützt. Die bisher schon gezahlten Subventionen wurden im Zuge des Konjunkturprogramm verdoppelt und können nun je nach Fahrzeug bis zu 6.000 Euro betragen.
Mit dieser Entscheidung dürfte auch Pfarrer Walter Lechner aus Dresden sehr einverstanden sein. Zusammen mit anderen Christen hatte er 2010 die Initiative „Anders wachsen“ in Leben gerufen. Das von evangelischer und katholischer Kirche unterstützte Bündnis fordert ein Umdenken und eine Abkehr der Wirtschaft vom scheinbar grenzenlosen Wachstum. Sinnvolles Wachstum – so Pfarrer Lechner – dürfe sich nicht nur an Aktienkursen und Bruttoinlandsprodukt orientieren, sondern vor allem an der Frage, was dient den Menschen, der Schöpfung, der weltweiten Gerechtigkeit?
In dem durch die Corona-Krise verursachten wirtschaftlichen Einbruch sieht Walter Lechner eine große Chance – vorausgesetzt die Gelder aus Hilfsprogrammen und Rettungsschirmen werden richtig eingesetzt: „Wenn wir jetzt einfach nur sagen, »Hauptsache wir haben wieder mehr Wirtschaftsleistung«, dann machen wir eben so weiter wie vorher. Aber wir müssten vielmehr definieren, was ist förderlich für diese Gesellschaft und was ist schädlich? Das sind die Fragen, auf die wir jetzt Antworten brauchen. Weil sobald wir wieder alles hochgefahren haben, verfestigen sich auch die Strukturen wieder wie vorher und wir werden es noch schwerer haben, die entscheidenden Weichenstellungen zu machen und die Korrekturen zu machen, die notwendig sind.“