Nachlese: Der Kirchentag geht heute zu Ende
Sonntag, 11.06.2023
Nach fünf Tagen Programm mit rund 2.000 Veranstaltungen und mehreren Zehntausend Besuchern geht heute in Nürnberg der 38. Deutsche Evangelische Kirchentag zu Ende. Das Motto „Jetzt ist die Zeit“ zog sich wie ein roter Faden durch das Christentreffen.
Evangelische Kirchentage verstehen sich traditionell als „Zeitansage“ und greifen daher immer wieder Themen auf, die in Politik, Gesellschaft und Kirche aktuell und oft auch kontrovers diskutiert werden. In den 1950er und 60er Jahren war das u.a. der Frieden und die Überwindung der deutsch-deutschen Teilung, in den 1980er Jahren die atomare Nachrüstungsdebatte oder in späteren Jahren die Diskussionen um Umweltschutz, gleichgeschlechtliche Liebe, Atomkraft oder Digitalisierung.
In Nürnberg konnte der Kirchentag auf seinen großen wie kleinen Bühnen erneut zahlreiche Vertreter:innen aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Sport begrüßen – u.a. auch Bundeskanzler Olaf Scholz und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Zusammen mit bekannten prominenten Journalisten*innen, Kirchenvertretern aus dem In- und Ausland sowie Klimaaktivisten diskutierten sie auf den großen Hauptpodien des Kirchentages unter anderem über die Klimakrise, über Vielfalt und Demokratie, Generationengerechtigkeit, Soziales, Internationale Sicherheitspolitik und Waffenlieferungen. Natürlich spielte hier vor allem der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine eine große Rolle. Ein kultureller Höhepunkt war in diesem Zusammenhang der Auftritt des Kyiv Symphony Orchestra. Das ukrainische Orchester, das derzeit in Gera residiert, hatte zur Kirchentagslosung „Jetzt ist die Zeit“ eigens ein neues Programm mit dem Titel „Zeitgefühle“ gestaltet.
Zu den musikalischen Highlights gehörten sicher auch die Auftritte der Kölner Band „Brings“ und dem deutschen ESC-Teilnehmer Malik Harris am Donnerstagabend (9. Mai), sowie das Konzert der A-Capella-Band „Viva Voce“ zusammen mit den Nürnberger Symphonikern am Freitag. Auch die „Voice of Germany“-Teilnehmer Samuel Rösch, Lena Belgart und Leslie Jost enterten am Freitagabend die Bühne beim Großkonzert im Messezentrum.
Mit mehr als 100 Veranstaltungen zu unterschiedlichsten Aspekten des Themas Schöpfungsbewahrung war der Klima- und Umweltschutz ein Kernthema dieses Kirchentages. Luisa Neubauer von „Fridays Fur Future“ oder die ugandische Klimaschutzaktivistin Vanessa Nakate diskutierten mit, ebenso Verantwortliche aus der Politik wie Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, Wissenschaftler:innen wie Maja Göpel und viele weitere engagierte Menschen, die das Thema beschäftigt. „Gibt es ein Recht auf Zukunft?“ fragte zum Beispiel ein Podium zur Klimaklage vor dem Bundesverfassungsgericht. Darüber hinaus gab es auch Workshops zur Klimaneutralität in Kirchengemeinden oder die Diskussionsrunde „Paradeisen statt Apokalypsen“ rund um die Transformation von Gesellschaften. Auch im Kulturbereich wurden Umweltfragen aufgegriffen, etwa durch das Klimawandel-Oratorium „House on Fire“ oder beim Großkonzert „Jetzt. Sattes Fest des Lebens“' von Brot für die Welt mit Eckart von Hirschhausen
Das geistlich-theologische Programm umfasste nach Angaben des Kirchentages unter anderem rund 60 Gottesdienste und 55 Bibelarbeiten mit unterschiedlichsten Themen und Zusammensetzungen. In dem in Fürth angesiedelten Zentrum „Zukunft, Glaube und Kirche“ wurde ein komplett von Künstlicher Intelligenz gesteuerter Gottesdienst gefeiert. Hinzu kamen zahlreiche interreligiöse und ökumenische Formate, die Raum für Austausch boten. Spannend war auch das aus der StartUp-Szene bekannte Format einer „Fuck Up-Night“, in der u.a. auch die ehemalige Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer über Fehler, Misserfolge und persönliches Scheitern berichtete.
Neu auf diesem Kirchentag waren die sogenannten Weißen und Grauen Flecken im Programm. Sie wurden erst kurz vor oder auch noch während des Kirchentages inhaltlich gefüllt, damit auch noch besonders aktuelle Ereignisse in das ansonsten monatelang im Voraus geplante Programm aufgenommen konnten. Nicht ganz neu, aber von der Funktionalität deutlich erweitert präsentierte sich die Kirchentags-App für iOS- und Android-Geräte. Sie beinhaltete nun auch die digitalen Eintrittskarten, war Programmheft, Stadtplan und Navigator in einem und ermöglichte bei ausgesuchten Veranstaltungen beispielsweise auch eine digitale Publikumsbeteiligung.
In seiner jetzigen Form wurde der Deutsche Evangelische Kirchentag 1949 gegründet – als Reaktion auf die Zeit des Nationalsozialismus und den fehlenden Widerstand der Amtskirche in dieser Zeit. Als evangelische Laienbewegung sollte er das Gegenüber zur verfassten Kirche bilden und Schnittstelle sein zwischen Kirche und Welt. Mehr über die Geschichte des Kirchentages ist hier zusammengefasst.