Nächsten Sonntag: Europa wählen

von Christof Beckmann

Sonntag, 02.06.2024

Europa und Robert Schuman / Collage KIP
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Europa und Robert Schuman / Collage KIP

Europa wählt am nächsten Sonntag das inzwischen 10. Europäische Parlament. Alle ab 16 sind zur Wahl gerufen. Einer Wahl von Gewicht – das zeigen auch kirchliche Stimmen ….

INFO: Am 9. Juni findet die inzwischen zehnte Direktwahl des Europäischen Parlamentes statt. Alle fünf Jahre haben 350 Millionen Wahlberechtigte in der Europäischen Union die Gelegenheit, Abgeordnete in das Europaparlament zu entsenden. In allen 27 Mitgliedstaaten der EU wird zwischen dem 6. und 9. Juni 2024 gewählt. Jedes Mitgliedsland kann innerhalb dieses Zeitraums festlegen, wann die Wahl im eigenen Land durchgeführt wird. Der Wahltermin in Deutschland ist Sonntag, der 9. Juni 2024. Alle Wahlberechtigten können in ihrem Heimatland oder in einem anderen Mitgliedstaat wählen, sofern sie den Hauptwohnsitz in diesem Land haben. Das Wahlalter in Deutschland liegt bei 16 Jahren. Nach einer ersten Schätzung des Statistischen Bundesamtes werden in Deutschland bis zu 64,9 Millionen Deutsche und weitere Staatsangehörige der Europäischen Union (EU) wahlberechtigt sein, rund 4,1 Millionen weitere Unionsbürgerinnen und -bürger können hierzulande ihre Stimme abgeben.

Mehr: Zahlen und Fakten der Bundeszentrale für politische Bildung zu den vergangenen Wahlen, Destatis-Infos zur Europawahl 2024.

Kirche zur Wahl: Zahlreiche Stimmen aus dem kirchlichen Raum plädieren für eine aktive Teilnahme an der Wahl und für eine klare pro-europäische Wahlentscheidung. Die Kirchen in Deutschland laden die fast 65 Millionen Wahlberechtigten in Deutschland laden ein, „bei der Europawahl Parteien zu wählen, die den Geist Europas, die dargelegten Werte und Prinzipien, teilen und fördern“, heißt es in einem gemeinsamen Aufruf der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) sowie der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK): „Wir warnen eindringlich vor politischen Kräften, die im Sinne eines völkischen Nationalismus das Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Nationalitäten oder Herkunft ablehnen und unverblümt die Abschaffung der EU anstreben. Solchen Bestrebungen halten wir die feste Überzeugung entgegen, dass wir eine starke und geeinte EU brauchen, um die aktuellen Herausforderungen gemeinsam anzugehen und unsere Freiheit, unsere Gemeinschaft und unseren Wohlstand zu bewahren.“ Die EU-Wahlen sollten nicht als Protestwahl genutzt werden. Die EU in ihrer heutigen Form basiere „auf Werten und Prinzipien, die im Christentum vor- und mitgeprägt wurden“. Sie habe länderübergreifend Stabilität, Demokratie und Wohlstand gebracht. Die Kirchenvertreter heben daneben vor allem die menschenrechtlichen Verpflichtungen der EU hervor. Sie gälten in der Flüchtlings- und Asylpolitik ebenso wie bei Klima- und Wirtschaftspolitik. Gleichzeitig sei die EU durch den Krieg in der Ukraine in ihrer direkten Nachbarschaft durch ein autoritäres System bedroht. „Es ist an uns Europäerinnen und Europäern, dieses Europa zu stärken und angesichts zahlreicher Krisen zukunftsfähig zu gestalten“, betonen die Kirchenvertreter. Auch beim Thema Digitalisierung setze die EU wichtige Standards, hieß es: „Es ist zu begrüßen, dass die europäische Politik Regeln und Standards setzt, die dem christlichen Menschenbild entsprechen sowie Menschenrechte und Menschenwürde etwa beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz berücksichtigen.“ Unterzeichnet ist der ökumenische Aufruf vom Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, der amtierenden EKD-Vorsitzenden Kirsten Fehrs sowie dem ACK-Vorsitzenden Radu Constantin Miron.

Auch die katholischen Bischöfe der EU insgesamt rufen bei der kommenden Europawahl zur Stimmabgabe für pro-europäische Parteien auf. Das vor mehr als 70 Jahren begonnene Projekt für Frieden, Freiheit und Wohlstand müsse unterstützt und weitergeführt werden, erklärten die Vertreter von 25 Bischofskonferenzen über ihre gemeinsame Kommission COMECE in Brüssel. Dabei verwiesen sie auf aktuelle Herausforderungen wie den Ukrainekrieg, Migration, Klimawandel, die Nutzung künstlicher Intelligenz, Europas Rolle in der Welt und die EU- Erweiterung: „Um diese entscheidenden Fragen im Lichte der Grundwerte der Europäischen Union anzugehen und eine bessere Zukunft für uns und die nächsten Generationen zu schaffen, nicht nur in Europa, sondern auch in der Welt, brauchen wir mutige, kompetente und werteorientierte politische Entscheidungsträger, die ehrlich das Gemeinwohl verfolgen“, heißt es in der Erklärung. „Es liegt in unserer Verantwortung, bei den kommenden Wahlen die bestmögliche Wahl zu treffen.“ Die Bischöfe riefen dazu auf, bei den Wahlen vom 6. bis 9. Juni für Kandidaten und Parteien zu stimmen, „die das europäische Projekt eindeutig unterstützen und von denen wir vernünftigerweise annehmen, dass sie unsere Werte und unsere Idee von Europa fördern“. Dazu zählten Achtung der Menschenwürde, Solidarität, Gleichheit, Familie und die Heiligkeit des Lebens sowie Demokratie und Freiheit. Weiter nannten sie ökologisches Engagement und den Grundsatz der Subsidiarität, nach dem Eigenverantwortung bei gesellschaftlichen Aufgaben Vorrang vor Regulierungen von oben haben soll.

„Wir wissen, dass die Europäische Union nicht perfekt ist und dass viele ihrer politischen und rechtlichen Vorschläge nicht mit den christlichen Werten und den Erwartungen vieler ihrer Bürger übereinstimmen, aber wir glauben, dass wir dazu aufgerufen sind, sie mit den Mitteln, die uns die Demokratie bietet, zu verbessern“, so die Bischöfe. Für die Deutsche Bischofskonferenz unterzeichnete deren COMECE-Vertreter Bischof Franz-Josef Overbeck von Essen den Aufruf.

„Eine hohe Wahlbeteiligung stärkt die Legitimität des Europäischen Parlaments und die Handlungsfähigkeit der EU“, erklärte das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK): „Mit einem starken demokratischen Votum können wir die Menschenwürde, die Rechtsstaatlichkeit und die Demokratie schützen. Das ist gerade in diesen Zeiten geboten“, sagte ZdK-Präsidentin Dr. Irme Stetter-Karp am 28. Mai in Erfurt. In seinem Beschluss „Demokratie wählen. Europa weiterbauen“ hob die ZdK-Vollversammlung hervor, die Europawahl sei eine „Richtungsentscheidung für den Kontinent, in welcher der politische Gestaltungsspielraum der nächsten fünf Jahre markiert wird“. Auch zukünftig müssten die Eckpfeiler der katholischen Sozialethik - Personalität, Solidarität, Subsidiarität, Gemeinwohl und Nachhaltigkeit - die europapolitischen Leitplanken darstellen. Es brauche „nach der Wahl eine auf diesen Werten fußende stabile parlamentarische Mehrheit und eine handlungsfähige Europäische Kommission“. Dazu formulieren die Mitglieder des ZdK Forderungen in mehreren Politikfeldern.

Der Kontinentalverband der Caritas, europaweit eine der größten Hilfsorganisationen, appellierte an die Verantwortung der EU für eine gerechte Gesellschaft. Sozialer Zusammenhalt und sozialer Friede müssten weiterhin maßgebliche Ziele der Politik in Europa bleiben. Gelingen werde dies nur, wenn die Menschenwürde im Mittelpunkt des politischen Handelns stehe. Als maßgeblich auch für die Zukunft der EU ist für die Caritas Europa die historische Rede von Robert Schuman am 9. Mai 1950. In dieser sei der „Grundstein für ein Europa der Solidarität“ gelegt worden, wobei die Grundsätze davon durchaus in der katholischen Kirche wurzelten, heißt es in der Erklärung. Die Caritas glaube zutiefst an diese Grundsätze und stelle soziale Dienste und humanitäre Hilfe für über 25 Millionen Menschen täglich auf dem gesamten Kontinent bereit. Verabschiedet wurde die Stellungnahme bei der einer dreitägigen Generalversammlung in Brüssel Anfang Mai, wo 92 Caritas-Spitzen aus 37 Ländern über den Kernauftrag des Netzwerks und seine Rolle bei der Bewältigung heutiger Herausforderungen in Europa berieten. Mit Blick auf die anstehenden Europawahlen 2024 wurden in dem Memorandum die zukünftigen Verantwortlichen der Union dazu aufgerufen, „die Ursachen der sozialen Ungleichheit zu überwinden, und zwar weit über die Europäische Union der 27 hinaus“.

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Sonntag, 02.06.2024