Neuer Name, alte Ziele: Woche der Brüderlichkeit
Sonntag, 03.03.2024
Unter dem Eindruck des Holocaust riefen die Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit 1952 in Deutschland eine „Woche der Brüderlichkeit“ nach amerikanischem Vorbild ins Leben. In diesem Jahr findet sie erstmals unter einem neuen Namen statt.
Dazu heißt es auf der Internetseite des Deutschen Koordinierungsrates (DRK): „Am 18. Juni 2023 hat die Mitgliederversammlung des DKR bei ihrer Jahrestagung in Bonn mit großer Mehrheit beschlossen, sich vom Namen »Woche der Brüderlichkeit« zu verabschieden. Notwendig wurde dieser Schritt, weil der Begriff »Brüderlichkeit« in größer werdenden Kreisen der Gesellschaft nicht mehr anschlussfähig ist. Der bisherige Name wird durch die Formulierung »Christlich-Jüdische Zusammenarbeit« abgelöst. Dabei werden das christliche und jüdische Kalenderjahr benannt. Das (…) Jahr 2024 steht entsprechend unter dem Motto: »The Sound of Dialogue – Gemeinsam Zukunft bauen« - Christlich-Jüdische Zusammenarbeit 2024 – 5784/5785“. Die letzten Ziffern bezeichnen die Jahresangabe nach der jüdischen Zeitrechnung.
Fester Bestandteil der neuen „Woche der christlich-jüdischen Zusammenarbeit“, die wie ihre Vorgängerin traditionell immer Anfang März begangen wird, bleibt die 1968 eigeführte Verleihung der Buber-Rosenzweig-Medaille. Mit diesem Ehrenpreis werden Personen, Institutionen oder Initiativen ausgezeichnet, „die sich insbesondere um die Verständigung zwischen Christen und Juden verdient gemacht haben und im wissenschaftlichen, künstlerischen, politischen oder sozialen Bereich einen Beitrag für die christlich-jüdische Zusammenarbeit geleistet haben. Die Medaille wird in Erinnerung an die jüdischen Philosophen Martin Buber und Franz Rosenzweig verliehen.“ Die bisherigen Preisträger kann man hier nachlesen.
Abgesehen von der jüngsten Namensänderung sind die Aufgaben und Ziele der früheren „Woche der Brüderlichkeit“ jedoch dieselben geblieben. Das hat nicht zuletzt mit der Entstehungsgeschichte dieser Bürgerbewegung zu tun, die auf der Internetseite des DRK so beschrieben wird:
„1948 - drei Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der Befreiung der wenigen Überlebenden aus den Konzentrations- und Vernichtungslagern - kamen in München, Stuttgart und Wiesbaden engagierte Männer und Frauen, Juden wie Christen, zusammen, um dem menschenverachtenden Ungeist des Nationalsozialismus und einer Jahrhunderte lang geübten Judenfeindschaft in den christlichen Kirchen durch die Gründung einer Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit die Vision eines neuen Miteinanders entgegen zu setzen. Dem folgte ein Jahr später die Gründung der Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit in Berlin und in Frankfurt.
Heute sind es über 80 Gesellschaften, verteilt über die gesamte Republik einschließlich der neuen Länder, in denen sich gut 20.000 Mitglieder, Freunde und Förderer für ein besseres Verständnis zwischen Christen und Juden einsetzen. In weit über 1.000 Veranstaltungen pro Jahr - mit Vorträgen, Seminaren, Konzerten, Lesungen, Publikationen, Projekten und Studienreisen - tragen sie maßgeblich dazu bei, nicht zu vergessen, was geschehen war, das »unbekannte« Judentum kennen zu lernen, antijüdische Aussagen zu verlernen, Lern- und Verkündigungsinhalte neu zu formulieren und wach zu sein, damit sich nicht wiederholt, was zur Vorbereitung und Durchführung eines Völkermordes 1933 bis 1945 geführt hatte. Kurz, sie bilden eine »Bürgerinitiative« (Martin Stöhr) ganz eigener Art, die in die Ausbildungs- und Erziehungssysteme, Kirchen, die Medien und in die politische Öffentlichkeit innovativ lernend und eingreifend zu wirken versucht.“
Vor dem Hintergrund der Entwicklungen der vergangenen zehn Jahre ist dieses Engagement wichtiger und wertvoller denn je. So hat sich beispielsweise die 2013 als eurokritische Partei gegründete „Alternative für Deutschland“ (AfD) immer mehr zu einer Partei des völkisch-nationalistischen Denkens entwickelt, die in Teilen (z.B. der AfD-Landesverband Thüringen) als rechtsextremistisch eingestuft und vom Verfassungsschutz beobachtet wird.
Das 2007 gegründete European Leadership Network (ELNET) stellte im März 2023 fest, dass in Deutschland bereits seit Jahren ein Anstieg von antisemitisch-motivierten Straftaten zu beobachten ist: „Hierbei handelt es sich um die gemeldeten Vorfälle, die Dunkelziffer ist somit nicht erfasst und liegt weit höher. Im Vergleich zu den 3.028 Delikten, die 2021 registriert wurden, lag diese Anzahl 2015 noch bei 1.366. Die Häufigkeit der Übergriffe hat sich somit mehr als verdoppelt. Der größte Anstieg wurde zwischen 2020 und 2021 verzeichnet, was vordergründig auf die Verbreitung von antisemitischen Verschwörungstheorien während der [Corona] Pandemie zurückzuführen ist.“
Einen erneuten Schub erlebt der Antisemitismus in Deutschland seit dem Terror-Angriff der islamistischen Hamas auf israelisches Staatsgebiet vom 7. Oktober 2023. Wie die Tagesschau meldet, verzeichnete das Bundeskriminalamt (BKA) „allein zwischen dem Tag des Überfalls und dem 21. Dezember mehr als 1.100 Delikte im kriminalpolizeilichen Meldedienst für Fälle politisch motivierter Kriminalität, wie die Nachrichtenagentur dpa meldet. Es handele sich dabei vor allem um Sachbeschädigungen und Volksverhetzungen, hieß es vom BKA.“