NRW-Familienministerin für Tablets in der KiTa

von Markus Möhl

Sonntag, 17.04.2016

ein kleiner Junge schaut gebannt auf ein Tablet-Computer
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Computer, Tablets und Smartphones sind längst Teil des Alltags - bald auch in den Kindertagesstätten?

"Ich kann mir gut vorstellen, dass Kitas mit Tablet-Computern arbeiten", sagte NRW-Familienministerin Christina Kampmann (35) Ende März 2016 in einem Interview mit der "Rheinischen Post". Eine gute Idee?

Birgit Schriever, die seit 35 Jahren eine Evangelische Kindertagesstätte im westfälische Ahlen leitet und schon viele pädagogische Neuerungen erlebt hat, reagiert skeptisch auf den Vorschlag der Ministerin: "Das Kind muss selbständig etwas tun, mit den Händen, mit den Augen, um etwas zu begreifen. Das kann es mit so einem Ding doch gar nicht. Natürlich könnte man das mal für irgendein Projekt benutzen mit den älteren Kindern, aber ich halte da überhaupt gar nichts von."

Immer wieder beobachtet die KiTa-Leiterin, dass schon kleine Kinder sehr stark auf Computer fixiert seien. Darunter leide die kindliche Neugierde, das kindliche Forschen sei nicht mehr da. In ihrer Ahlener Kindertagesstätte versuche man deshalb gegenzusteuern, indem die Erzieherinnen die Kleinen behutsam an die Computertechnik heranführen: "Bei uns gibt es einen PC mit einer ganz guten Edutainment-Mischung, wo die Kinder 20 bis 30 Minuten mit einer Erzieherin oder mit vielen Kindern gemeinsam spielen. Wir haben natürlich auch Kameras, wo die Kinder auch fotografieren, auch selbständig, die werden dann am Laptop mit der Erzieherin zusammen bearbeitet."

Der NRW-Familienministerin dürfte diese Arbeitsweise gefallen. Mit ihrem Vorschlag, in der Kindergartenarbeit Tablets einzusetzen, wolle sie nicht der totalen Computerisierung das Wort reden. Im Interview mit der "Rheinischen Post" vom 29. März 2016 sagte sie: "Es geht nicht etwa darum, den Wald-Spaziergang durch eine Wald-App zu ersetzen. Aber was spricht dagegen, ein Tablet mit in den Wald zu nehmen, um damit Vogelstimmen aufzunehmen oder Pflanzen zu bestimmen und später in der Kita darüber zu sprechen? Nebenbei eröffnet sich damit die Möglichkeit, schon im frühesten Kindesalter den kritischen Umgang mit diesen Medien einzuüben."

Genau das wird in der Ahlener KiTa von Birgit Schriever bereits versucht. Digitale Medien kommen hier ganz natürlich in der täglichen Arbeit zum Einsatz. Aber sie verdrängen nicht andere altbewährte Medien wie etwa Bücher oder Brettspiele, die zur persönlichen Kommunikation anregen. Und die sei enorm wichtig für die kindliche Sprachentwicklung, so Birgit Schriever: "Weil für Kinder die Kommunikation, das Miteinander, das in die Augen sehen das allerwichtigste ist - vor allen Dingen für die Sprache. Und diese ganzen Medien, die es da auf dem Markt gibt, die helfen den Kinder nicht bei der Sprache, das ist wissenschaftlich bewiesen."

 

Unterm Strich bringt es nichts, den Einsatz von Computern und Tablets im Kindergarten oder in der Schule zu verteufeln, wie es etwa der Ulmer Hirnforscher Manfred Spitzer tut. Aus seiner Sicht machen Tablets und Smartphones regelrecht süchtig, ihren Einsatz im frühkindlichen Alter bezeichnet er als "anfixen" (Buchtipp: Manfred Spitzer: "Digitale Demenz: Wie wir unsere Kinder um den Verstand bringen"). Zu differenzierten Ansichten kommt inzwischen die Medienpädagogik, zum Beispiel in diesem Artikel der Dipl.Pädagogin Susanne Roboom.
Sonntag, 17.04.2016