Reformationsjubiläum: Schwung für die Ökumene
Sonntag, 05.02.2017
Martin Luthers Thesen von 1517, mit denen er die Kirche seiner Zeit reformieren wollte, führten zur Spaltung in evangelisch und katholisch. Heute – 500 Jahre später – sind beide Konfessionen einander so nah wie nie.
Als einer der wichtigsten Schritte auf dem Weg der Annäherung kann das das 2. Vatikanische Konzil (1962 – 1965) gelten, mit dem sich die römisch-katholische Kirche verstärkt dem Dialog mit Anders- oder Nichtgläubigen öffnete. Das ermöglichte erst Prozesse und Konsultationen zwischen den beiden großen Konfessionen, die dann auch in praktischen Vereinbarungen mündeten. Als Meilensteine lassen sich hier die gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre (1999) und die gegenseitige Anerkennung der Taufe (2007) festhalten.
Allerdings gab es auch in der jüngsten Vergangenheit immer wieder erhebliche Spannungen zwischen evangelischer und katholischer Kirche. Sie betrafen sowohl ethische Fragen – etwa zur Abtreibung oder zur Sterbehilfe – als auch Äußerungen von Papst Benedikt XVI. In seinem Schreiben "Dominus Jesus" von 2007 hatte er den Protestanten aber auch anderen Glaubensgemeinschaften den Status als Kirchen abgesprochen. Sie seien "mit Mängeln behaftet" und deshalb lediglich als "kirchliche Gemeinschaften" zu betrachten. Die Folge war ein Sturm der Entrüstung auf evangelischer Seite.
Zehn Jahre nach dieser schweren Irritation scheinen beide Konfessionen jetzt wieder verstärkt aufeinander zuzugehen – und das ausgerechnet im 500. Jubiläumsjahr der Reformation. Waren die Jahrhundertfeiern der evangelischen Kirche zum Reformationstag bisher stets ein Anlass zur Abgrenzung der Konfessionen voneinander, soll dies laut einer Pressemitteilung der EKD "nach dem Willen der beiden großen christlichen Kirchen in Deutschland im Jahr 2017 erstmals anders werden. Dieses Ziel haben die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) und die Deutsche Bischofskonferenz vereinbart und in einem offiziellen Briefwechsel festgehalten", der am 29. Juni 2015 in München offiziell vorgestellt wurde.
Dabei erklärte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, das Reformationsjubiläum 2017 sei im Kern ein Christusfest, denn Martin Luther sei es vor 500 Jahren um nichts anderes gegangen, als neu auf Christus hinzuweisen: "Es ist unser gemeinsames Anliegen heute, (…) deutlich zu machen, welche große Kraft der christliche Glaube auch für unsere Zeit heute hat." Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, zeigte sich positiv überrascht von der Initiative: "Das war für die katholische Kirche doch neu, dass die evangelische Kirche hier deutlich und klar gesagt hat, wir wollen unser Reformationsjubiläum nicht feiern ohne Euch. Eine solche Einladung mussten wir nicht nur annehmen, sondern wir haben sie sehr gerne angenommen."
Im Oktober 2016 unternahmen Spitzenvertreter der EKD und der katholischen Bischofskonferenz eine gemeinsame Pilgerreise nach Israel. Am 6. Februar 2017 empfängt Papst Franziskus eine EKD-Delegation und den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Marx, zu einer Privataudienz. Und am 11. März 2017 soll in Hildesheim ein gemeinsamer Versöhnungsgottesdienst unter dem Motto "Healing Of Memories" gefeiert werden. Dazu erklärte der EKD-Ratsvorsitzende, Heinrich Bedford-Strohm: "Wir werden einander um Vergebung bitten, Gott um Vergebung bitten, für all das, was auch an Schmerzen, an Trennungen aus der Reformation gekommen ist und vor allem dann aber auch aus den Glaubenskriegen, in denen die beiden Konfessionen gegenseitig sich das Lebensrecht abgesprochen haben."
In Deutschland – dem Mutterland der Reformation – kommt auch zwischen den evangelischen Landeskirchen und den katholischen (Erz)Bistümern zunehmend Bewegung in die ökumenischen Beziehungen. Rheinische und westfälische Landeskirche sowie das Bistum Essen unterzeichneten am 22. Januar 2017 den Appell "Ökumenisch Kirche sein", in dem sie sich gegenseitig zu mehr Austausch und zu einem verstärkten gemeinsamen Auftreten verpflichten. Den Wortlaut der sogenannten "Essener Erklärung" gibt es hier zum Downloaden. Eine ähnliche Erklärung mit dem Bistum Münster ist in Vorbereitung.
Die Annäherung beider Konfessionen könnte Auswirkungen bis auf die Gemeindeebene haben, meint die Ökumene-Dezernentin der Ev. Kirche im Rheinland, Barbara Rudolph: "Dazu gehört zum Beispiel, dass das Bistum Essen mit dem Wunsch an uns herangetreten ist: »Wenn wir demnächst Kirchengebäude oder Gemeindehäuser aufgeben, weil die Anzahl der Gemeindeglieder sinkt – (…) lasst uns doch dafür sorgen, dass wir nicht gemeinsam aus einem Quartier ausziehen, sondern verabreden, dass in einem Stadtteil dann ein evangelisches Gemeindehaus bleibt und in einem anderen Stadtteil eine katholische Kirche oder umgekehrt – und wir das miteinander teilen.« Und es gibt jetzt die ersten Anträge, das auch zu tun. Und wir werden uns sehr gründlich mit den Architekten aus unserem Hause, aber auch mit den Theologen/Theologinnen und Juristen/Juristinnen zusammensetzen und überlegen, wie ein solcher Vertrag und so eine Vereinbarung bei Ortsgemeinden aussehen kann, weil wir glauben, das wird in Zukunft öfters passieren."
Eine engere Abstimmung und Zusammenarbeit sei künftig aber nicht nur bei der Gebäudenutzung möglich. Denkbar seien auch Kooperationen hinsichtlich gemeindlicher Aufgaben. Barbara Rudolph spricht in diesem Zusammenhang von »ökumenischen Gemeindevereinbarungen«: "Wer keinen Jugendleiter hat, schaut einfach mal in der Nachbargemeinde, wer eine Frauenarbeit aufziehen will, schaut in die Nachbargemeinde, und so wechseln wir uns gegenseitig an ab. Und es ist auch das Interesse daran, dass, wenn es um die Vertretungen bei der Stadt geht oder in Verbänden, dass man sich auch dort abwechselt."