Religionsunterricht geht neue Wege

von Werner Beuschel

Sonntag, 07.07.2024

Schüler blättern in der Bibel
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Schüler bei der Gruppenarbeit im Religionsunterricht. (Foto: Pixabay)

Jahrhunderte lang waren evangelische und katholischen Christen strikt voneinander getrennt. Egal ob Gottesdienst oder Heirat – man blieb unter sich. Das hat sich geändert, seit die Ökumene Einzug gehalten hat. Sogar beim Reli-Unterricht tut sich was.

Laut Artikel 7, Abs. 3 GG ist Religionsunterricht in Deutschland an den öffentlichen Schulen (mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen) ordentliches Lehrfach und als einziges Fach im Grundgesetz verankert. Daneben existieren bezüglich der konkreten Ausgestaltung auch noch Vereinbarungen zwischen den einzelnen Bundesländern und den Kirchen. Ebenso wie alle anderen Schulfächer untersteht auch der Religionsunterricht der staatlichen Schulaufsicht.

In Nordrhein-Westfalen ist Religionsunterricht dann an einer Schule einzurichten und zu erteilen, wenn mindestens zwölf Schülerinnen und Schüler eines Bekenntnisses vorhanden sind. Laut Schul- und Bildungsministerium NRW wird der Religionsunterricht „von Lehrkräften des Landes erteilt, die dafür die Lehrbefähigung und die kirchliche Vollmacht (missio canonica, Vokation oder Einverständniserklärung der Religionsgemeinschaft) besitzen (§ 31 Absatz 3 SchulG).“ Alternativ kann er aber auch von kirchlichen Lehrkräften – also Geistlichen – erteilt werden.

Bislang wurde der Religionsunterricht stets konfessionell gebunden unterrichtet. Das heißt: Evangelische Religionslehre für evangelische Schüler und katholischen Unterricht für katholische Schüler. In den vergangenen Jahren ist jedoch Bewegung in dieses starre System gekommen. In seiner Denkschrift »Religiöse Orientierung gewinnen« aus dem Jahr 2018 hat z.B. der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) „Perspektiven für einen auf Pluralitätsfähigkeit ausgerichteten Religionsunterricht aufgezeigt und dabei den konfessionell-kooperativen Religionsunterricht als eine zukunftsweisende Entwicklungsmöglichkeit dargestellt.“

Im konfessionell-kooperativen Religionsunterricht werden evangelische und katholische Schüler gemeinsam im Fach Religion unterrichtet. Eine erste Vereinbarung in diesem Sinne wurde bereits 2017 vom Bistum Essen und der Evangelischen Kirche von Westfalen unterzeichnet. Wenig später übernahmen auch die Evangelische Kirche im Rheinland, die Lippische Landeskirche und die Bistümer Aachen, Münster und Essen sowie das Erzbistum Paderborn diese Vereinbarung. Damit konnte der konfessionell-kooperative Religionsunterricht (kokoRU) in NRW zum Schuljahr 2018/19 eingerichtet werden. Schulen im Einzugsbereich des Erzbistums Köln konnten den kokoRU dagegen erst zum Schuljahr 2023/24 einführen, da das Erzbistum der entsprechenden Vereinbarung erst später zugestimmt hatte.

Obwohl noch recht jung, scheint sich das neue Modell des konfessionell-kooperativen Religionsunterrichts in Nordrhein-Westfalen immer mehr durchzusetzen. Über die Verbreitung schreibt das Schul- und Bildungsministerium NRW: „Im Schuljahr 2021/22 waren das mehr als 108.500 Kinder und Jugendliche an insgesamt 536 Schulen, die dafür ein entsprechendes Konzept entwickelt haben. Dazu gehört unter anderem, dass es einen verbindlichen Wechsel zwischen Lehrkräften beider Konfessionen gibt. Auf diese Weise betont der kokoRU die verbindenden Grundüberzeugungen des christlichen Glaubens und bietet zugleich Raum für die jeweiligen konfessionellen Sichtweisen.“

Zwei Trends dürften den Ausbau des konfessionell-kooperativen Religionsunterrichts weiter beschleunigen: Zum einen ist die Geburtenrate rückläufig, wodurch die Anzahl der Kinder insgesamt und damit auch die Zahl der christlich getauften Kinder sinkt. Gleichzeitig geht aber auch die Zahl der Religionslehrer zurück – seien es Pfarrer/Pfarrerinnen oder Lehrkräften des Landes. Vor diesem Hintergrund macht es Sinn, die noch vorhandenen Ressourcen zu bündeln, um so trotz zurückgehender Schülerzahlen auch weiterhin einen christlichen Religionsunterricht anbieten zu können.

Eine wissenschaftliche Untersuchung der Universität Siegen im Auftrag von evangelischer und katholischer Kirche aus dem Jahr 2022 hat ergeben, dass der konfessionell-kooperative Religionsunterricht „sowohl von den Lehrkräften und Schulleitungen als auch Schülern und Eltern überwiegend positiv bewertet [wird].“

Sonntag, 07.07.2024