Römer-Bibliothek auf Kirchenbaustelle entdeckt

von Jil Blume-Amosu

Sonntag, 19.08.2018

Fund in der Kölner Innenstadt: Grundmauern einer römischen Bibliothek
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Die Grundmauern der römischen Bibliothek sind zwei Meter stark und trugen ein Gebäude von sieben bis neun Metern Höhe. Errichtet wurde der Bau zwischen 150 und 200 Jahre nach Christus (Foto: Römisch-Germanisches Museum Köln).

Wer in Köln in der Erde buddelt, muss immer damit rechnen, auf Relikte aus der Vergangenheit zu stoßen. Die können gefährlich sein, wie etwa Blindgänger aus dem 2. Weltkrieg. Oder sensationell, wie der Fund auf einer Kirchenbaustelle in der Innenstadt.

Hier – zwischen der Antoniterkirche in der Schildergasse und der Antoniterstraße – errichtet die Evangelische Kirche Köln derzeit auf ihrem eigenen, rund 3 300 m² großen Grundstück das sogenannte "AntoniterQuartier". Der Bau soll neben einem modernen Citykirchenzentrum auch weitere Nutzungsmöglichkeiten wie Gastronomie, Dienstleistung, Wohnen und Handel sowie eine Tiefgarage beherbergen. Der erste Spatenstich erfolgte im Frühjahr 2017. Parallel zu den Tiefbauarbeiten fanden auf der Baustelle auch archäologische Untersuchungen statt.

Im August 2017 legten Wissenschaftler dabei einen etwa 20 x 9 Meter großen Bau mit mächtigen Grundmauern frei. In einer ersten Einschätzung wurde dieser auf das 1. Jahrhundert nach Christus und damit in die Zeit des römischen Kaisers Claudius datiert. Claudius war es auch, der der damaligen Siedlung am Rhein den Status einer Stadt römischen Rechts verlieh: Es war die Geburtsstunde der "Colonia Claudia Ara Agrippinensium" (CCAA).

Wegen der Lage des Fundes in der Südwestecke des Forumsbezirkes wurde schon bei der Freilegung vermutet, dass es sich nicht um einen römischen Privatbau, sondern wahrscheinlich um ein Gebäude der öffentlichen Hand handeln dürfte. An einer Stelle konnte neben den Grundmauern auch aufstrebendes Mauerwerk gesichert werden. Hier entdeckten die Forscher eigentümliche, etwa 80 cm tiefe Nischen im Gemäuer.

Es dauerte fast ein Jahr, bis tiefer gehende Analysen und Vergleiche mit anderen römischen Bauten (u.a. in Ephesus) die Gewissheit brachten: Bei dem Fund auf der Kirchenbaustelle handelt es sich mit großer Sicherheit um die Reste einer römischen Bibliothek aus dem 2. Jahrhundert und damit um die bislang älteste Bibliothek auf deutschen Boden. In den Nischen, die die Archäologen entdeckt hatten, wurden früher demnach Pergamente und Papyrusrollen aufbewahrt.

Nach Angaben der Evangelischen Kirche Köln kann der größte Teil des archäologischen Fundes durch Veränderungen der Bauplanung vor Ort erhalten werden. Teile der antiken Bibliothek sollen als herausragende Zeugnisse kölnischer Stadtgeschichte anschaulich präsentiert und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Dafür bittet Evangelische Gemeinde Köln um Spenden, denn weil sie wie ein Bauträger der öffentlichen Hand behandelt wird, muss die Kirche die etwa eine Million Euro Zusatzkosten für den Erhalt der römischen Bibliothek selbst tragen.

Dazu erklärt der Pfarrer der Antoniterkirche, Markus Herzberg: "Wenn man einen Römerbau findet, in der Kategorie, die wir da gefunden haben, ist es das erste Ziel, dass alles, was man findet, im Boden verbleibt. Das ist immer das oberste Ziel der Denkmalbehörden und des Denkmalschutzes." Die Kirche habe deshalb ihre Bauplanung in vielen Bereichen anpassen müssen – zum Beispiel auch beim Thema Erdbebensicherheit: "Durch die Eifel braucht man das und das heißt, es gibt sogenannte Zerrbalken im Keller, die dazu führen, dass wenn das Gebäude erschüttert wird, es nicht in sich zusammenfällt. Und so einen Zerrbalken kann man natürlich nicht mal eben von rechts nach links verlagern. Wenn so ein Zerrbalken in dem Bereich läuft, wo so eine römische Grundmauer steht, dann muss man gucken, wie geht man damit um."

Der Aushub der Baugrube für das neue AntoniterQuartier förderte nicht nur Relikte aus der Römerzeit zutage. Es fanden sich auch Spuren der mittelalterlichen "Sackbrüder" – ein Bettelorden, der etwa bis ins 14. Jahrhundert hier seinen Standort hatte. Ihnen konnten die Archäologen unter anderem ein Weihwasserbecken zuordnen, das auf dem Baugelände gefunden wurde. Pfarrer Herzberg stellt sich vor: "Vor 800 Jahren haben die Mönche, wenn sie morgens ihr Gebet hier verrichtet haben, wahrscheinlich ihre Finger ins Weihwasser getaucht und sich bekreuzigt. Das finde ich schon was Bemerkenswertes und was Rührendes." Das Weihwasserbecken möchte er gerne in seiner Antoniterkirche aufstellen: "Als Erinnerung daran, dass auch wir Protestanten nicht vor 500 Jahren vom Himmel fielen, sondern dass wir mal eine ungeteilte Kirche waren, und dass wir das Ziel haben, wieder eine Kirche zu sein und nicht mehr getrennt zu sein, wie wir es jetzt sind."

Die Entstehungsgeschichte des neuen evangelischen "AntoniterQuartier" seit Juli 2013 und die einzelnen Baufortschritte seit Januar 2017 kann man online im Bautagebuch der Kirche mitverfolgen unter https://www.antoniterquartier.de/de/bautagebuch-juli-2018.aspx Hier gibt es auch Bilder der freigelegten römischen Bibliothek.

Sonntag, 19.08.2018