Schulden: Es kann wirklich jeden treffen
Donnerstag, 16.06.2022
Schuldnerberater warnen: Steigende Mieten, Energie- und Lebenshaltungskosten setzen inzwischen auch mittlere und Geringverdiener unter finanziellen Druck. Besonders hart trifft die Preisentwicklung aber Menschen, die auf staatliche Gelder angewiesen sind.
Zwar wurden z.B. die Regelsätze für die bundesweit 3,8 Millionen Empfänger von Arbeitslosengeld II (Hartz IV) zum 1.1.2022 je nach Alter um zwei bis drei Euro angehoben. Doch diese Erhöhung um gerade mal 0,76% wird durch die aktuelle Inflationsrate, die im Mai 2022 bei 7,9% lag, mehr als „aufgefressen“. Sie sind deshalb besonders von Überschuldung bedroht, sagt Marco Ringeis von der Erwerbsloseninitiative der Diakonie Leipzig: „Die Sozialleistungen steigen nicht mit diesen Lebenshaltungskosten an. Es gibt einen Einmal-Betrag, der reicht aber bei weitem nicht aus. Die Regelsätze im Hartz IV sind auch vorher schon am Existenzminimum berechnet worden, und wenn man den Wohlfahrtsverbänden zuhört, eigentlich auch schon drunter berechnet. Die sprechen von 150 EUR zu niedrig im Monat.“ Mehr Infos dazu hier.
Neben den Empfängern von ALG II sind auch Geringverdiener und Rentner durch die aktuellen Preisentwicklungen von einer Verschuldung oder sogar Überschuldung bedroht. Grund sind die geringen regelmäßigen Einkünfte. So meldet das Statistische Bundesamt am 25. Mai 2022: „Im Jahr 2021 stand dem Haushalt einer überschuldeten Person, die Hilfe bei einer Schuldnerberatungsstelle suchte, durchschnittlich ein Nettoeinkommen von 1 368 Euro pro Monat zur Verfügung. Mit durchschnittlich 520 Euro machten die Kosten für die Wohnung einschließlich Energie- und Nebenkosten 38 % des Haushaltseinkommens aus. Wird nur das eigene Einkommen der Schuldnerin oder des Schuldners von durchschnittlich 1 146 Euro betrachtet, so machten die Wohnkosten sogar 45 % aus.“ Zum Vergleich: In der Gesamtbevölkerung belief sich der Anteil der Wohnkosten am Haushaltseinkommen nach den aktuellsten Daten aus dem Jahr 2020 auf 22 %.
Schuldenexperte Marco Ringeis empfiehlt Menschen, die finanziell in der Klemme stecken, sich Hilfe bei einer anerkannten, gemeinnützigen Schuldnerberatungsstelle zu suchen – und das besser früh als zu spät: „Dieser erste Schritt in die Schuldnerberatung, dieses erste Gespräch hat oft eine sehr entlastende Funktion bei den Klienten: »Ich kann das abladen. Ich kann es einfach da lassen«. In der Schuldnerberatung übernehmen wir auch zum Beispiel den Schriftverkehr für die Schuldner. Also die gesamte Post der Gläubiger geht hier in der Einrichtung ein und wird dann geprüft und mit dem Klienten besprochen.“
Dabei kommt alles, aber wirklich auch alles auf den Prüfstand, sagt Marco Ringeis: „Dann geht es darum, im zweiten Schritt zu gucken: Was sind noch für Schulden da? Das zu sortieren, zu bewerten und auch zu prüfen. Sind es überhaupt auch alles rechtmäßige Forderungen, die von den Gläubigern kommen? Gerade wenn Inkasso-Unternehmen ins Spiel kommen, muss man sehr genau gucken, was den Schuldnern da übertragen wird.“
In Verhandlungen mit den Gläubigern werden dann konkrete Zahlungspläne entwickelt und verabredet. Damit dem Schuldner auf jeden Fall genug zum Leben bleibt, kann ein sogenanntes Pfändungsschutzkonto eingerichtet werden. Laut einer epd-Meldung vom 24.6.2022 sind dort ab dem 1. Juli 2022 monatlich 1.340 Euro vor dem Zugriff von Gläubigern geschützt. So kommen die Klienten langsam aber sicher runter von ihrem Schuldenberg. Aber das ist noch nicht das Ende, so Marco Ringeis: „Das ist sozusagen der dritte Schritt, noch mal zu gucken, in so einer Haushalts- und Budgetberatung: »Wie viel Einkommen habe ich eigentlich jetzt, was kann ich mir davon leisten und wovon muss ich mich vielleicht auch trennen?«“