Sonderausstellung: Corvey und das Erbe der Antike
Sonntag, 22.09.2024
Seit gestern zeigt das Diözesanmuseum Paderborn: Ohne Kirche und Klöster wäre das große Erbe der Antike aus der Geschichte und der Zivilisation verschwunden. Großartige Exponate erzählen, welche Rolle das Unecso-Welterbe Kloster Corvey dabei spielte …
INFO: Am 20.09.2024 wurde im Diözesanmuseum Paderborn die große Sonderausstellung Corvey und das Erbe der Antike. Kaiser, Klöster und Kulturtransfer im Mittelalter feierlich eröffnet und seit gestern ist sie zu sehen. Bis zum 26. Januar 2025 erzählen dort charismatische Schätze von der Faszination der Antike. Die Schirmherrschaft für die Ausstellung hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier übernommen.
Ausgangspunkt der Ausstellung im Diözesanmuseum Paderborn ist ein Think-Tank des Mittelalters: das ehemalige, vor 1.200 Jahren gegründet Kloster Corvey – die ehemalige Benediktinerabtei bei Höxter an der Weser, gut 60 km von Paderborn entfernt, ist seit 10 Jahren UNESCO-Welterbe. Zahlreiche Leihgaben aus ganz Europa und den USA zeigen, wie das Mittelalter antikes Wissen und antike Kultur aus den Gebieten des ehemaligen Römischen Reichs bis zu uns heute vermittelte - Klöster bewahrten einen wichtigen Teil jenes antiken Wissens, das uns bis heute prägt. Künstlerische Interventionen des Kalligraphen Brody Neuenschwander runden den Ausstellungsrundgang ab.
Mehr als 120 faszinierende Exponate aus europäischen Museen, Bibliotheken und Archiven machen in der Ausstellung erlebbar, wie im Mittelalter antike Kulturtechniken – insbesondere das Lesen und Schreiben – und Vorstellungen von Politik, Recht, Kunst und Wissenschaften weitergegeben wurden. Mönche vervielfältigten antike Schriften, Handwerker arbeiteten antike Originale um oder integrierten sie in eigene Werke. So stammt das eindrucksvolle Bursen-Reliquiar aus dem 8. Jahrhundert stammt ursprünglich aus dem Schatz des Stiftes zu Enger und ist eines der bedeutendsten Werke mittelalterlicher Goldschmiedekunst; heute befindet es sich in der Sammlung des Kunstgewerbemuseums der Staatlichen Museen zu Berlin. Es ist reich besetzt mit Edelsteinen, Perlen und Gemmen, die mythologische Motive antiker Steinschnittkunst zeigen, gehört zu den bedeutendsten Werken mittelalterlicher Goldschmiedekunst und wird derzeit von einem Team renommierter Wissenschaftler und Restauratoren der Staatlichen Museen erforscht. Das umfangreiche und aufwendige Forschungs- und Restaurierungsprojekt wird anlässlich der Paderborner Ausstellung von der Ernst von Siemens Kunststiftung ermöglicht.
Wie beliebt der Rückgriff auf die Antike im Mittelalter war, zeigt auch ein weiteres ungewöhnliches Stück aus der Sammlung des Berliner Kunstgewerbemuseums: Es ist ein Gießgefäß, ein Aquamanile in Form einer Sirene, das für Handwaschungen bei liturgischen Handlungen oder vor Mahlzeiten gereicht wurde. Das mythologische Mischwesen aus Frau und Vogel ist auch aus der Odyssee Homers bekannt. Dass Sirenendarstellungen im Mittelalter eine gewisse Beliebtheit besaßen, zeigt sich auch im Westwerk des Klosters Corvey, wo bereits im 9. Jahrhundert eine harfespielende Sirene Teil des Ausmalungsprogramms ist.
Aus der Biblioteca Medicea Laurenziana in Florenz kommt eine berühmte Handschrift mit den Annalen des römischen Geschichtsschreibers Tacitus (* ca. 58, † etwa 120) nach Paderborn. Der Text erhielt sich nur in einer einzigen Abschrift aus dem Kloster Fulda und wurde in der berühmten Bibliothek des Klosters Corvey bewahrt. Im 16. Jahrhundert entführten Bücherdiebe die Handschrift im Auftrag der einflussreichen Familie der Medici nach Italien. Nur aus diesem Manuskript und aus dieser einen Quelle wissen wir heute von der legendären Varusschlacht, in der der Cheruskerfürst Arminius den römischen Feldherren Varus vernichtend schlug.
Eine Leihgabe aus dem Aachener Domschatz ist die Statue einer Bärin: Die gut 2.300 Jahre alte, einzigartige Bronzefigur im Aachener Dom hat möglicherweise Karl der Große an seinen Hof geholt. Aus dem Musée de la Cour d‘Or in Metz kommen Fragmente des wertvollen spätantiken Sarkophags Kaiser Ludwigs des Frommen, Sohn und Nachfolger Karls des Großen und 822 Gründer des Klosters Corvey. Und die berühmte Stiftsbibliothek St. Gallen entleiht kostbare Fragmente einer Handschrift des römischen Dichters Vergil.
Die Sonderausstellung im Diözesanmuseum Paderborn wird gefördert durch: Ernst von Siemens Kulturstiftung, Bank für Kirche und Caritas e.G., Kulturstiftung der Länder, Rudolf August Oetker Stiftung, Stiftungen der Sparkasse Paderborn-Detmold für den Kreis Paderborn
Das Erzbischöfliche Diözesanmuseum Paderborn ist das älteste im deutschsprachigen Raum. Es wurde 1853 gegründet und besitzt eine der umfangreichsten und bedeutendsten Sammlungen christlicher Kunst in Deutschland. Der ständig wachsende Bestand umfasst mehr als 12.000 Werke aus rund 1.000 Jahren. Schwerpunkt: Skulptur und Goldschmiedekunst von der Romanik bis zum Barock. Das Museum befindet sich im Zentrum Paderborns neben dem Dom. Es zeigt regelmäßig große kunst- und kulturhistorische Sonderausstellungen mit Leihgaben aus renommierten Museen und Sammlungen in ganz Europa und aus Übersee. Zur Website
Mehr Informationen zur Ausstellung unter www.erbe-der-antike.de. Informationen über das UNESCO-Welterbe Corvey: www.welterbewestwerkcorvey.de.
Katalog zur Ausstellung: Ein reich bebilderter Katalog zur Ausstellung bietet die neuesten Erkenntnisse europäischer Wissenschaftler*innen zur Antikenrezeption in der Karolingerzeit sowie ein beeindruckendes Panorama faszinierender Exponate zwischen Antike und Mittelalter. Corvey und das Erbe der Antike ca. 500 Seiten, zahlreiche farbige Abbildungen Michael Imhof Verlag 39,95 Euro Museum | 49,95 Euro Buchhandel ISBN-Nr.: 978-3-7319-1425-9. Ein umfangreiches Veranstaltungsprogramm begleitet die Sonderausstellung ab September 2024. Gruppenführungen sind bereits jetzt über die Tourist Information Paderborn buchbar: +49 (0)5251 8812980 | tourist-info@paderborn.de.