Stichwort Fronleichnam: das wandernde Gottesvolk
Sonntag, 31.05.2015
Immer am 2. Donnerstag nach Pfingsten wird in der römisch-katholischen Kirche das Fest Fronleichnam gefeiert. Der Name klingt morbide, hat aber mit Sterben und Tod rein gar nichts zu tun – ganz im Gegenteil.
Das Wort Fronleichnam leitet sich ab aus dem Althochdeutschen "fron" für "Herr" und "liknam" für "Leib" und bedeutet übersetzt so viel wie "Fest des Leibes und Blutes Christi". Es erinnert an die Einsetzung des Altarsakraments durch Jesus selbst (Brot und Wein bei der Abendmahls- bzw. Eucharistiefeier) und wurde zum ersten Mal im Jahr 1246 im Bistum Lüttich gefeiert. Papst Urban IV. führte es 1264 als allgemeines Kirchenfest ein, 1317 legte Papst Johannes XXII. den Donnerstag als Festtag fest. Das Fest geht zurück auf eine Vision der später heilig gesprochenen Augustinernonne Juliana von Lüttich im Jahre 1209. Sie habe, so wird berichtet, beim Beten den Mond gesehen, der an einer Stelle verdunkelt gewesen sei. Christus habe ihr erklärt, dass der Mond die Kirche bedeute, der dunkle Fleck das Fehlen eines Festes des Eucharistie-Sakraments.
Zur Fronleichnams-Feier gehört bis heute eine Prozession, bei der die Gläubigen hinter der Monstranz herschreiten, die als Symbol für den Leib Christi eine geweihte Hostie enthält. In dieser Art wurde das Fest erstmals 1279 in Köln begangen. Im Mittelalter wurde der Feiertag später zunehmend dazu genutzt, um zusätzliche Ablassgelder zu gewinnen. Nicht zuletzt deshalb war der Reformator Martin Luther ein ausdrücklicher Gegner des Fronleichnamsfestes: Er bezeichnete es 1527 als das "schädlichste aller Feste" und betrachtete die Prozessionen als unbiblisch und als Gotteslästerung. Heute dagegen wirken nicht selten evangelische Pastoren in Amtstracht bei der Fronleichnamsfeier mit. In der Orthodoxen Kirche ist die Zurschaustellung des eucharistischen Brotes dagegen unbekannt.
Nach dem Konzil von Trient (1545 und 1563) gewann das Fest als "antiprotestantische Demonstration" an Bedeutung. Die römisch-katholische Kirche nutzte vor allen Dingen die Prozession dazu, um demonstrativ ihren Alleinanspruch über die Eucharistie klar zu machen. Als Reaktion darauf wurde es in manchen gemischt-konfessionellen Gebieten üblich, dass die protestantischen Bauern den Mist gerade an Fronleichnam auf die Felder ausbrachten.
Die gegenseitigen Provokationen gehören inzwischen der Vergangenheit an. Mit Blick auf die traditionellen Fronleichnamsprozessionen eint katholische und evangelische Christen das biblische Bild vom "wandernden Gottesvolk", dessen Mitte Christus als das "Brot des Lebens" ist. Ein wirklich ökumenisches Fest ist es aber trotzdem nicht. Dazu ist in beiden Konfessionen das theologische Verständnis des Abendmahls, das im Zentrum der Fronleichnamsfeier steht, zu unterschiedlich. Fronleichnam ist gesetzlicher Feiertag in den Bundesländern Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland sowie in ausgewählten Gemeinden in Sachsen und Thüringen.