Totgesagte leben länger: Der Buß- und Bettag
Sonntag, 13.11.2022
Wer in Sachsen wohnt, der hat am kommenden Mittwoch (16.11.) frei. Sachsen ist das einzige Bundesland, in dem der Buß- und Bettag noch als gesetzlicher Feiertag begangen wird. In allen anderen wurde er 1995 als solcher gestrichen.
Indem sie den Feiertag in einen ganz normalen Arbeitstag umwandelte, erhoffte sich die Politik einen maßgeblichen Beitrag zur Mitfinanzierung der damals noch jungen Pflegeversicherung. Genauer: So sollte der Arbeitgeberanteil an der neu geschaffenen Versicherung ausgeglichen werden. Zwar erhoben sich dagegen Proteste – auch und vor allem aus der Evangelischen Kirche, der dieser Feiertag „gehörte“. Aber der Widerstand gegen die Abschaffung war unter dem Strich zu zaghaft und er kam zu spät, wie ein Artikel im Sonntagsblatt es zusammenfasst: „Übrigens hat das Bußtagsopfer die Finanzierung der Pflegeversicherung nicht auf Dauer gesichert. Nach anfänglichen Überschüssen glitt sie bereits 1999 in die roten Zahlen ab. Trotz mehrmaliger Erhöhung der Beitragssätze schloss sie das Jahr 2018 mit einem Defizit von 3,5 Milliarden Euro ab.“
Auch wenn der Buß- und Bettag kein arbeitsfreier Tag mehr ist – ein Feiertag ist er dennoch geblieben. Er wird traditionell am Mittwoch vor dem Ewigkeitssonntag begangen - in diesem Jahr am 16. November In seinem Mittelpunkt steht bis heute der biblisch begründete Gedanke von Schuldeingeständnis und Umkehr: Wer vor Gott seine Schuld/Sünde ehrlich eingesteht und Umkehr und Besserung verspricht, der darf mit Gottes Vergebung rechnen. Im Lukas-Evangelium heißt es dazu im Kapitel 15, Vers 7: "Ich sage euch, so wird Freude im Himmel sein über einen Sünder, der Buße tut, mehr als über neunundneunzig Gerechte, die da keine Buße nötig haben." Und in seinem Brief an die Römer stellt der Apostel Paulus fest, dass "(…) weder Hohes noch Tiefes noch eine andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm Herrn." (Römerbrief, Kap. 8, Vers 39)
Das Bekenntnis von Sünde und Schuld und die zugesprochene Vergebung Gottes gehören zum Kern des christlichen Glaubens. Der Begriff "Sünde" lässt sich dabei ableiten von "sondern", "Absonderung". Mit Sünde ist also die Absonderung von Gott gemeint. Damit ist der Begriff weniger ein moralischer als vielmehr ein religiöser. Sünde meint das menschliche Handeln ohne bzw. gegen Gott und seine Gebote.
Tage der Buße im Sinne eines Überdenkens seiner Taten und einer Besinnung waren und sind allerdings nicht zwingend an den christlichen oder evangelischen Glauben gebunden und fanden auch schon in Zeiten vor der Reformation statt. Nach dem Wegfall der so genannten Quatembertage, an denen an vier Terminen im Jahr gefastet wurde, fand 1532 auf Anordnung des damaligen Kaisers der erste Bettag statt.
1878 existierten gleich 47 Bußtage, die auf 24 unterschiedliche Daten fielen. 28 deutsche Länder hatten unterschiedliche Vorstellungen hinsichtlich des genauen Termins, und erst 1934 wurde der Buß- und Bettag zum gesetzlich einheitlichen Feiertag für ganz Deutschland. Es folgten unterschiedliche Regelungen, sowohl in der DDR als auch in der Bundesrepublik, wobei ab 1981 die gesamte Bundesrepublik einen Feiertag festlegte und nach der Wiedervereinigung auch die neuen Bundesländer mitzogen.
1994 wurde der Buß- und Bettag zum letzten Mal als gesetzlich geschützter Feiertag begangen. Am 1.1.1995 trat dann das Gesetz zur Pflegeversicherung in Kraft. Dieses sah vor, dass der Versicherungsbeitrag wie der bei der Arbeitslosen- oder Rentenversicherung jeweils zur Hälfte von Arbeitnehmern und Arbeitgebern gezahlt werden soll. Zum Ausgleich (Kompensation) der Unternehmerbeiträge wurde der Buß- und Bettag als gesetzlicher Feiertag abgeschafft. Er ist seitdem kein arbeitsfreier Tag mehr. Nur in Sachsen wurde der Buß- und Bettag beibehalten, darum sind hier die Beiträge zur Pflegeversicherung um 0,5 Prozent höher als im übrigen Bundesgebiet.
Bundesweit wird der Buß- und Bettag in den evangelischen Kirchengemeinden weiterhin begangen. Überall im Land finden in den Abendstunden entsprechende Gottesdienste statt.