Unser Brot: Kulturgut und Sattmacher
Sonntag, 23.06.2024
Das Brot ist eines der ältesten und grundlegendsten Nahrungsmittel der Menschheit. Seine Ursprünge lassen sich bis in die Jungsteinzeit zurückverfolgen, als Menschen begannen, Getreide zu kultivieren und zu verarbeiten.
Die ältesten Brot-Funde stammen aus dem Gebiet des heutigen Jordanien und sind etwa 14.000 Jahre alt. In Europa verbreitete sich das Wissen um die Brotproduktion mit der neolithischen Revolution, als die Sesshaftwerdung der Menschen die Basis für eine kontinuierliche Landwirtschaft schuf. In der Antike war Brot bereits ein Grundnahrungsmittel. Die Römer perfektionierten das Backen und verbreiteten ihre Techniken in ganz Europa. Nach dem Fall des Römischen Reiches im 5. Jahrhundert übernahmen Klöster die Aufgabe, die Backkunst weiterzuentwickeln und zu bewahren. Im Mittelalter wurde das Brotbacken zunehmend professionalisiert, und es entstanden die ersten Bäckergilden.
In der Bibel und im Christentum nimmt das Brot eine besonders symbolträchtige und spirituelle Rolle ein. Von den Geschichten des Alten Testaments bis zu den Lehren Jesu im Neuen Testament durchzieht Brot die biblischen Texte als Symbol für Leben, Gemeinschaft und göttliche Gnade.
Im Alten Testament erscheint Brot an zahlreichen entscheidenden Stellen und wird oft als Symbol für Gottes Versorgung und Segen verwendet. Eine der bekanntesten Geschichten ist die der Manna-Speisung. Als die Israeliten während ihres vierzigjährigen Aufenthalts in der Wüste Hunger litten, versorgte Gott sie mit Manna, einem himmlischen Brot, das jeden Morgen auf wundersame Weise auf dem Boden erschien (2. Mose 16). Dieses Brot des Himmels war ein sichtbares Zeichen für Gottes Fürsorge und Treue gegenüber seinem Volk.
Im Neuen Testament gewinnt Brot eine noch tiefere symbolische Bedeutung durch das Leben und die Lehren Jesu Christi. In den Evangelien wird von mehreren Wundern berichtet, bei denen Jesus Brot vermehrte, um die Hungrigen zu speisen. Das bekannteste dieser Wunder ist die Speisung der Fünftausend, bei der Jesus fünf Brote und zwei Fische segnete und damit eine große Menschenmenge sättigte (Matthäus 14, 13-21). Dieses Wunder unterstreicht die Fülle und Großzügigkeit von Gottes Gnade.
Eine zentrale Bedeutung hat Brot im Neuen Testament in der Feier des letzten Abendmahls. Jesus brach das Brot und gab es seinen Jüngern mit den Worten: "Nehmet, esset; das ist mein Leib" (Matthäus 26, 26). Diese Handlung und Worte sind der Ursprung des christlichen Sakraments der Eucharistie bzw. des Abendmahls, bei dem das Brot den Leib Christi symbolisiert. Die Eucharistie bzw. Abendmahlfeier ist ein zentrales Element der christlichen Gottesdienste und ein tiefes Symbol für die Gemeinschaft der Gläubigen mit Christus und untereinander.
Deutschland ist weltweit bekannt für seine außergewöhnliche Brotvielfalt. Die deutsche Brotkultur zeichnet sich durch eine große Bandbreite an Brotsorten aus, die sich regional unterscheiden. Es gibt mehr als 3.000 verschiedene Sorten, von kräftigem Roggenbrot im Norden bis zu Weißbrotvarianten im Süden. Diese Vielfalt ist das Ergebnis jahrhundertelanger Backtraditionen und der Anpassung an regionale Gegebenheiten und Vorlieben. Ein besonderes Merkmal der deutschen Brotkultur ist der hohe Anteil an Vollkorn- und Sauerteigbroten. Während in vielen anderen Ländern Weißbrot dominiert, schätzen die Deutschen die dunkleren, aromatischeren Brotsorten. Sauerteig, der aus einer natürlichen Fermentation von Mehl und Wasser entsteht, verleiht dem Brot nicht nur Geschmack, sondern macht es auch länger haltbar.
Brot ist tief in der deutschen Kultur verwurzelt und symbolisiert Wohlstand, Gemeinschaft und Tradition. Bis heute kommt in vielen Familien zum Frühstück Brot auf den Tisch, Kinder nehmen Pausenbrote mit in die Schule, und auch so mancher Arbeitnehmer schmiert sich zu Hause eine Stulle für die Mittagspause. Sprichwörtlich ist auch das deutsche Abendbrot. Und so verwundert es nicht, dass die deutsche Brotkultur in das immaterielle Kulturerbe der UNESCO aufgenommen wurde.
In Deutschland gibt es zahlreiche handwerkliche Bäckereien, die oft seit Generationen in Familienbesitz sind. Diese Bäckereien sind nicht nur Produktionsstätten, sondern auch wichtige soziale Treffpunkte. Ihre Zahl ist allerdings in den vergangenen Jahren stark zurückgegangen, wie Zahlen des Zentralverbands des Deutschen Bäckerhandwerks zeigen: Gab es in den 1950er-Jahren noch über 55.000 Backbetriebe, sind es heute nicht einmal mehr 10.000 Unternehmen, die mit Brot und Brötchen ihr Geld verdienen.
Über mögliche Ursachen schreibt die Zeitung „WELT“: „Gründe sind unter anderem die Billig-Konkurrenz durch Backstationen in Supermärkten und Discountern, stetig steigende Kosten für Rohstoffe, Energie und Personal, aber auch Nachfolgeprobleme und der Fachkräftemangel. Zudem hat die inflationsbedingte Kaufzurückhaltung in jüngster Zeit zusätzlich Spuren hinterlassen.“ Im Jahr 2007 haben noch mehr als 15.000 junge Leute eine Ausbildung im Bäckerhandwerk begonnen. Ihre Zahl ist bis 2022 um zwei Drittel auf nur noch 4.167 gesunken. Trotzdem ist der Nettoumsatz im Bäckerhandwerk im gleichen Zeitraum von 12,34 auf 16.27 Milliarden Euro gestiegen.