Viertelsternstunden in der Reinoldikirche
Freitag, 01.11.2024
Vom bunten, lauten, manchmal auch hektischen Treiben auf dem Dortmunder Weihnachtsmarkt will ein weiß gewandeter Stelzenläufer die Besucher in die benachbarte Reinoldikirche locken und sie für 15 Minuten in eine andere Welt entführen.
Dahinter steckt die Aktion "Viertelsternstunden", die der Evangelische Kirchenkreis Dortmund am 1. Dezember 2014 aus der Taufe gehoben hat. In diesem Jahr feiert diese neue Andachtsform zum Advent also ihr 10jähriges Jubiläum. Als "Aushängeschild" und Hingucker fungiert dabei der Stelzenläufer Thomas Wachsmann. Fast jeden Abend gegen 17:30 Uhr wird er vom 1. bis 23. Dezember (außer samstags und am 13.12.) seine Stelzen unter die Füße schnallen, ein langes weißes Gewand überstreifen und dann mit einem leuchtenden Stern und einer lila Bibel in der Hand über den Dortmunder Weihnachtsmarkt wandeln – als lebendige, drei Meter große Einladung zur nächsten "Viertelsternstunde" in der Reinoldikirche.
Wer sich darauf einlässt, den erwartet in der Kirche ab 18 Uhr ein bewusst kurz gehaltenes und niederschwelliges Programm mit bekannten Adventsliedern und einer täglich wechselnden Lesung kurzer literarischer Texte. Wer möchte, kann sich anschließend auch noch persönlich segnen lassen, bevor er/sie sich nach einer Viertelstunde Auszeit, Ruhe und Andacht wieder in das Weihnachtsmarkt-Getümmel stürzt.
Susanne Karmeier, Pfarrerin an der Ev. Stadtkirche St. Reinoldi, spricht von einer Erfolgsgeschichte, die sich rumgesprochen hat. Mittlerweile gibt es ähnliche Formate auch in Recklinghausen, in Bremen und sogar in der Schweiz: „Viele sagen, dass sie total verzaubert sind und dass sie da etwas von Kirche erleben, was sie sich wünschen, was sie anrührt, was an ne Sehnsucht anknüpft, die sie haben, die man sonst vielleicht im Getriebe des Alltags und gerade im Getriebe des Advent nicht so spürt.“
Viele kämen extra wegen der Viertelsternstunde nach Dortmund, erzählt Karmeier. Andere wollten eigentlich nur den größten Weihnachtsbaum der Welt sehen und über den Weihnachtsmarkt schlendern - bis sie dem Stelzenläufer begegnen und seiner Einladung in die Reinoldikirche folgen: „Viele, die erst so´n bisschen zögern und dann mitkommen, sagen: Ach da kommen wir wieder und da bringen wir unsere Kinder mit, weil sie sagen: »Fünfzehn Minuten geht immer!« Und nach fünfzehn Minuten ist auch wirklich Schluss.“