Volkstrauertag – eine Pflichtübung?
Sonntag, 19.11.2023
Was sind das alles für Gedenk- und Feiertage immer im November: Zur Jahreszeit passen sie irgendwie schon, aber was haben wir noch heute mit dem Volkstrauertag zu tun? Kronprinzessin Victoria von Schweden spricht dazu heute im Deutschen Bundestag …
INFO: Der Volkstrauertag in Deutschland ist kein gesetzlicher Feiertag, ist in allen deutschen Bundesländern aber besonders geschützt, zählt zu den staatlichen Gedenktagen und gehört zu den sogenannten stillen Tagen, für die besondere Einschränkungen gelten. Dazu gehören beispielsweise Verbote von Musikaufführungen in Gaststätten. Der Tag wird seit 1952 zwei Sonntage vor dem ersten Adventssonntag begangen und erinnert an die unzähligen Opfer von Krieg, Gewaltherrschaft, Gewaltbereitschaft, Rassismus und Terror. Landesweit werden in zahlreichen Kirchen Gottesdienste abgehalten. Krieger- und Soldatenvereine führen traditionell Kranzniederlegungen an Mahnmalen für die Gefallenen der beiden Weltkriege durch.
Träger ist der 1919 gegründete Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge stark. Die erste offizielle Gedenkstunde zu einem Volkstrauertag fand 1922 im Deutschen Reichstag statt. Im Mittelpunkt stand damals der 1. Weltkrieg mit 17 Millionen Kriegstoten. Der damalige Reichstagspräsident und SPD-Abgeordnete Paul Löbe hielt eine im In- und Ausland vielbeachtete Rede, denn er stellte einer Gegenwart voller Feindseligkeiten den Gedanken an Versöhnung und Verständigung gegenüber: „Leiden zu lindern, Wunden zu heilen, aber auch Tote zu ehren, Verlorene zu beklagen, bedeutet Abkehr vom Hass, bedeutet Hinkehr zur Liebe, und unsere Welt hat die Liebe not.“ In den Folgejahren wurde der Tag immer stärker von martialischen Reden und militärischer Symbolik geprägt: Das nationalsozialistische Regime bestimmte per Gesetz den Volkstrauertag 1934 zum Staatsfeiertag und „Heldengedenktag“. Gut 10 Jahre später zählte der von ihnen anzettelte 2. Weltkrieg mindestens 60 Millionen Tote. Nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland nahm der Volksbund in den drei westlichen Besatzungszonen die Arbeit wieder auf, 1950 wurde der Gedenktag erstmals neben vielen regionalen Veranstaltungen mit einer Feierstunde im Plenarsaal des Deutschen Bundestages begangen. Eine Übereinkunft zwischen der Bundesregierung, den Ländern und den großen Glaubensgemeinschaften legte den Termin auf den vorletzten Sonntag im Kirchenjahr (evangelisch), beziehungsweise den 33. Sonntag im Jahreskreis (katholisch) fest, 1952 wurde das Sprechen des Totengedenkens durch den Bundespräsidenten von Bundespräsident Theodor Heuss eingeführt.
Gedenkstunde im Deutschen Bundestag: Im Deutschen Bundestag findet alljährlich durch den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge getragen, eine zentrale Gedenkstunde unter Schirmherrschaft des Bundespräsidenten statt und erinnert an die Opfer von Gewalt und Krieg aller Nationen. Eine Rede und ein Wort des Bundespräsidenten in Anwesenheit non Bundeskanzler, Kabinetts und Diplomatischem Corps sind üblich, ebenso die musikalische Gestaltung, das Spielen der Nationalhymne und der Europahymne. 2023 wird der Tag gemeinsam mit dem Partnerland Schweden begangen: „Zusammen erinnern wir an unsere weitreichende Geschichte bis hin zur heutigen Partnerschaft in einem vereinten Europa der freiheitlichen und friedlichen Demokratien. Zugleich gedenken wir in diesem Jahr im Besonderen der Toten des Angriffskrieges gegen die Ukraine“, so der Volksbund. Als Hauptrednerin wird I.K.H. Kronprinzessin Victoria von Schweden im Deutschen Bundestag sprechen. Der Jugendchor des Goethe-Gymnasiums Schwerin sowie das Musikkorps der Bundeswehr umrahmen die Gedenkstunde musikalisch. Zudem werden vier kurze Redebeiträge zum Thema „70 Jahre Jugendarbeit an Kriegsgräberstätten" von Personen aus der Zivilgesellschaft zu hören sein. Die Gedenkstunde am Volkstrauertag 2023 im Deutschen Bundestag am 13. November 2022 wird von der ARD ab 13:30 Uhr live übertragen. Mehr: https://gedenkportal.volksbund.de/gedenktage/volkstrauertag#c27656.
Die beiden Hauptthemen der diesjährigen Handreichung zum Volkstrauertag 2023 lauten „Frieden ist mehr als die Abwesenheit von Krieg“. Was kennzeichnet einen guten Frieden und wie gestalteten die ehemaligen Kriegsgegner Deutschland und Frankreich die deutsch-französische Versöhnung nach dem Zweiten Weltkrieg. Weitere Informationen unter: www.volkstrauertag.de.
Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge: Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, im Dezember 1919 gegründet, machte sich zur Aufgabe, nach deutschen Kriegstoten des Ersten Weltkrieges zu suchen, deren Gräber zu pflegen und den Angehörigen Orte des Gedenkens zu schaffen. Ab 1946 legte er in kurzer Zeit über 400 Kriegsgräberstätten in Deutschland an, ab 1954 betraute die Bundesregierung mit der Aufgabe, auch die Gräber der deutschen Kriegstoten im Ausland zu pflegen. Nach 1989 dehnte der Volksbund seine Arbeit auf die Staaten des einstigen Ostblocks aus, wo im Zweiten Weltkrieg mehr als drei Millionen deutsche Soldaten ums Leben kamen. Heute betreut der Volksbund die Gräber von etwa 2,8 Millionen Kriegstoten auf über 830 Kriegsgräberstätten in 46 Staaten. Seit 1953 veranstaltet die Organisation internationale Jugendbegegnungen und Workcamps unter dem Motto „Versöhnung über den Gräbern - Arbeit für den Frieden“ in ganz Europa. Der Volksbund betreut Angehörige und berät öffentliche und private Stellen in Fragen der Kriegsgräberfürsorge, engagiert sich in der Erinnerungskultur und fördert die Begegnung und Bildung junger Menschen an den Ruhestätten der Toten. Auf der Internetplattform www.graebersuche-online.de kann jeder nach gefallenen oder vermissten Angehörigen aus dem 1. und 2. Weltkrieg suchen. Sie verzeichnet derzeit insgesamt 5.415.400 Kriegstote und Vermisste.
Kontakt: Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V., Bundesgeschäftsstelle, Sonnenallee 1, 34266 Niestetal, Tel. 0561 / 7009-0, E-Mail: info@volksbund.de, Internet: www.volksbund.de. Spendentelefon: 0561 / 7009-0, Spendenkonto Commerzbank Kassel, IBAN: DE23 5204 0021 0322 2999 00, BIC: COBADEFFXXX.