Vom Umgang mit Fremden: Was sagt die Bibel dazu?
Sonntag, 30.09.2018
Wer die Angst vor Ausländern oder Migranten schürt und sich dabei auf Werte des christlichen Abendlandes beruft, hat die Bibel entweder nie gelesen oder sie nicht verstanden. Denn die Aussagen der Heiligen Schrift über "Fremdlinge" sind eindeutig.
Schon im ersten Buch der Bibel – im Schöpfungsbericht (Genesis, Kapitel 1, Vers 26ff) – heißt es: "Und Gott sprach: Lasset uns Menschen machen (…) Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie als Mann und Frau." Wegen dieses Schöpfungsaktes und der Gottesebenbildlichkeit besitzt jeder Mensch gleich welcher Rasse, Hautfarbe, Nationalität, Herkunft oder Geschlecht eine von Gott gegebene Würde. Damit ist einem Rassedünkel von vornherein jede Grundlage entzogen.
Auf dem wissenschaftlichen Bibelportal der Deutschen Bibelgesellschaft ist nachzulesen, dass im Alten Testament die beiden Begriffe "Fremdling" und "Ausländer", die heutzutage fast synonym gebraucht werden, damals deren unterschiedliche gesellschaftliche und z.T. auch rechtliche Stellung im israelitischen Volk ausdrückten. Demnach handelte es sich bei einem Fremdling "in den meisten Fällen um eine Person fremder ethnischer Herkunft. Diese sei (…) frei, allerdings von einem vollbürtigen Israeliten oder einer übergeordneten Gemeinschaft abhängig, (…), auf Dauer im Land ansässig, mit gewissen Rechten versehen, jedoch nicht voll rechtsfähig und vom Grundbesitz ausgeschlossen."
Weiter heißt es dort: "Als Ursachen für die Niederlassung des Fremdlings in einer fremden Umgebung werden im Wesentlichen die folgenden genannt: Hungersnot, (vgl. Gen 12,10; Gen 26,1-3; 1Kön 17,20; 2Kön 8,1; Rut 1,1), Krieg (vgl. 2Sam 4,3; Jes 16,4; Jer 42,15.17.22; Jer 43,2.5; Jer 44,8f.12.14.28), Flucht vor Strafverfolgung (vgl. Ex 2,12) und drohender Schuldsklaverei." Übertragen auf heutige Verhältnisse könnte man das alttestamentarische "Fremdling" daher u.a. wohl mit Flüchtling oder Asylbewerber übersetzen.
Wo das Alte Testament dagegen ausdrücklich von einem "Ausländer" (nåkhrî) spricht, ist damit laut Bibelportal in der Regel ein bestimmter einzelner Mensch gemeint, "der sich meist nur zeitweise in Israel aufhält, jedenfalls keine weitreichenden Bemühungen um Assimilation an die israelitische Gesellschaft erkennen lässt und auch keinen besonderen rechtlichen Schutz genießt – in wesentlichen Punkten also vom »Fremdling« klar unterschieden ist. (…) Wiederholt wird hervorgehoben, dass es vor allem wirtschaftliche Beziehungen seien, die den »Ausländer« mit den Israeliten verbinden. Seine wirtschaftlich-soziale Stellung sei eher die eines »Starken« als die eines »Gefährdeten«."
Was nun den Umgang mit Fremden oder Fremdlingen angeht, gibt das Alte Testament an verschiedenen Stellen eindeutig Auskunft. So heißt es etwa im 2. Buch Mose, Kap. 22, Vers 20: "Einen Fremden sollst du nicht ausnützen oder ausbeuten, denn ihr selbst seid in Ägypten Fremde gewesen". Im 3. Buch Mose taucht dieses Motiv erneut auf. In Kapitel 19, Vers 34 ist zu lesen: "Der Fremde, der sich bei euch aufhält, soll euch wie ein Einheimischer gelten und du sollst ihn lieben wie dich selbst; denn ihr seid selbst Fremde in Ägypten gewesen. Ich bin der Herr, euer Gott." Mit dem Hinweis auf die Zeit, als die Israeliten als geknechtetes Volk in Ägypten leben mussten, werden sie an ihr eigenes "Fremdsein" erinnert. So sollen Mitgefühl und Verständnis für die Fremden im eigenen Land gesteigert werden.
Im Neuen Testament, das die Heilsgeschichte Jesu erzählt, kommt in Sachen "Fremder" eine völlig neue Perspektive ins Spiel. Die ethnische Herkunft eines Menschen wird zur völligen Nebensache: "Hier ist kein Jude noch Grieche, hier ist kein Knecht noch Freier, hier ist kein Mann noch Weib; denn ihr seid allzumal einer in Christo Jesu", schreibt der Apostel Paulus in einem Brief an die Galater (Kap.3, Vers 28).
Doch auch zu Jesu Zeiten gab es Tendenzen, sich von anderen abzugrenzen. Mit Sündern, Zöllnern, Leuten aus dem Volk der Samariter und anderen "Fremdlingen" wollte man nichts zu tun haben. Man sah auf sie herab und verweigerte ihnen sogar die traditionelle Gastfreundschaft. Jesus aber ging genau auf diese Personenkreise zu. Er sprach mit der vermeintlichen Sünderin Maria von Magdala, er aß gemeinsam mit dem Zöllner Zachäus und stellte mit der Geschichte vom barmherzigen Samariter dessen Tun als vorbildlich heraus.
Gottesliebe und Nächstenliebe sind für Jesus untrennbar miteinander verbunden. Er selbst formuliert dieses Doppelgebot der Liebe ("Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben - von ganzem Herzen (…) und mit all deiner Kraft und deinen Nächsten wie dich selbst") und erklärt es zum wichtigstem Gebot überhaupt (siehe Markusevangelium Kap.12, Vers 29-31). Christliches Handeln orientiert sich an diesem Doppelgebot, denn als Christ/in kann man nicht Gott verehren und gleichzeitig seinen Nächsten "links liegen lassen".
Im Matthäus-Evangelium (Kap.25, Vers 35ff) erzählt Jesus vom Kommen des Weltgerichts und sagt: "Ich bin hungrig gewesen und ihr habt mir zu essen gegeben. Ich bin durstig gewesen und ihr habt mir zu trinken gegeben. Ich bin ein Fremder gewesen und ihr habt mich aufgenommen. (…) Dann werden ihm die Gerechten antworten und sagen: Herr, wann haben wir dich hungrig gesehen und haben dir zu essen gegeben? Oder durstig und haben dir zu trinken gegeben? Wann haben wir dich als Fremden gesehen und haben dich aufgenommen? (…) Wahrlich, ich sage euch: Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan." Wer also Fremde bei sich aufnimmt, lädt auch Jesus zu sich ein.