Warum sich die Kirche für Flüchtlinge einsetzt
Samstag, 01.11.2014
Weltweit sind derzeit rund 50 Millionen Menschen auf der Flucht. Auf der Suche nach Schutz vor Krieg, Terror, Hunger oder Verfolgung verlassen viele von ihnen ihre Heimat, fliehen in angrenzende Nachbarländer oder hoffen auf Asyl in Europa.
Für Deutschland verzeichnete das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge von Januar bis September des laufenden Jahres 116.659 Erstanträge auf Asyl. Bis Ende 2014 wird sich die Zahl laut Prognose des Bundesinnenministeriums auf etwa 200.000 erhöhen. Das wäre das Zehnfache der Zahlen von 2007. „In einzelnen Regionen unserer Landeskirche droht das System der Aufnahme zu kollabieren: die Betreuung ist überlastet, viele Kommunen suchen händeringend nach weiteren Unterkunftsmöglichkeiten für Flüchtlinge. Missstände wie in NRW treten offen zutage“, schreibt der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Manfred Rekowski in einem offenen Brief vom 23. Oktober 2014 an die 732 Gemeinden und 38 Kirchenkreise seiner Landeskirche. Trotz der vielfach angespannten Situation bittet er sie aber darum, „in ihrem Einsatz für die Zufluchtsuchenden nicht nachzulassen und andere Gemeindeglieder für das Engagement für Flüchtlinge zu gewinnen.“
Ähnlich äußerte sich Mitte Oktober auch Kirchenrat Dr. Thomas Weckelmann, der beim von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft einberufenen Flüchtlingsgipfel NRW als Vertreter der evangelischen Kirchen mit am Tisch saß. Er bezeichnete den Einsatz der Kirchen für die Flüchtlinge als ein christliches Grundanliegen: „Das Gebot, dem Fremdling beizustehen, zieht sich wie ein roter Faden durch die gesamte Bibel.“
Darüber hinaus kennt die Bibel auch selbst viele Flucht-Geschichten: von der Flucht des Volkes Israel aus Ägypten im Alten Testament bis zur Flucht von Maria, Josef und dem neugeborenen Jesus vor den Häschern des Königs Herodes I. im Neuen Testament. In seiner Eröffnungspredigt zur Konferenz Diakonie und Entwicklung am 15. Oktober 2014 in Bremen, nahm auch der Landespfarrer für Diakonie, Manfred Meyer, darauf Bezug. "Flucht ist kein Verbrechen! Es ist eine Not oder ein Auftrag", sagte Meyer laut einer Pressemitteilung der Diakonie. Weggehen sei eine geradezu biblische Erfahrung. Interessant sei aber, dass in der Bibel die Gründe für Flucht nicht bewertet würden. Es werde nicht unterschieden zwischen echt und unecht, zwischen politisch und wirtschaftlich, zwischen legal und illegal. Und schon Jesus habe diesen Menschen eine Chance, ein Grundrecht auf Asyl, eingeräumt, indem er auf sein eigenes Schicksal hinwies: „Ich war fremd und obdachlos, und ihr habt mich aufgenommen!“ (Matthäus 25,35).
Dem fühlen sich die Kirchen und ihre Hilfswerke bis heute verpflichtet. So unterhält allein die Diakonie nach eigenen Angaben bundesweit 131 Flüchtlingsunterkünfte. Gemeinsam mit der evangelischen Kirche unterstützt und begleitet sie mit ihren mehr als 600 Migrationsfachdiensten in ganz Deutschland Asylsuchende, anerkannte Flüchtlinge und Migranten. Sie koordinieren das freiwillige Engagement für Flüchtlinge. Zur Unterstützung von Flüchtlingen leistet die Diakonie bundesweit Sozialarbeit, berät in Asylverfahren und bietet psychosoziale Beratung und Therapie an.Dieses Engagement lässt sich die Kirche auch etwas kosten. Allein die beiden evangelischen Landeskirchen von Westfalen und Rheinland haben in den vergangenen Monaten insgesamt mehr als 500.000 Euro zusätzlich für die Flüchtlingsarbeit freigegeben. Die Landessynode der Ev. Kirche im Rheinland gab im Januar 2014 außerdem grünes Licht für weitere 250.000 Euro, die bei Projekten mit ökumenischen Partnern an den EU-Außengrenzen zum Einsatz kommen. Der Ev. Kirchenkreis Düsseldorf stellte Ende Oktober 20.000 Euro zur Verfügung, um so Deutschkurse für Flüchtlinge zu ermöglichen.
Auch im Ausland kümmere sich die evangelische Kirche um die Flüchtlingsproblematik, so der Berliner Bischof Markus Dröge: „Die Diakonie Katastrophenhilfe leistet mit ihrem internationalen Netzwerk Act Alliance weltweit humanitäre Hilfe und bietet Flüchtlingen Zuflucht." Und die evangelische Hilfsorganisation „Brot für die Welt“ trägt mit Projekten in aller Welt dazu bei, Armut, Hunger und Ungerechtigkeit zu überwinden und so Fluchtursachen zu mindern.