Was bedeutet "heilig" auf evangelisch?
Sonntag, 01.11.2015
Seit seiner Einführung im Jahr 835 durch Papst Gregor ist Allerheiligen in der katholischen Kirche der Gedenktag für alle Märtyrer und Heiligen. Mit Heiligenverehrung kann die evangelische Kirche wenig anfangen – mit dem Begriff "heilig" aber schon.
Nach katholischem Verständnis sind die Heiligen vor allem Glaubensvorbilder, die ein Gott gefälliges Leben geführt oder für ihren Glauben den Märtyrertod in Kauf genommen haben. Frühestens 25 Jahre nach ihrem Ableben kann eine Person von der katholischen Kirche heiliggesprochen werden. Dazu werden in einem ersten Schritt detaillierte Lebensläufe, alle Veröffentlichungen und Aufzeichnungen des Kandidaten gesammelt sowie die Auskünfte über dessen Martyrium oder sein tugendhaftes Leben eingezogen. Anschließend entscheiden insgesamt 34 Kardinäle, Erzbischöfe und Bischöfe darüber ab, ob die "Causa" weitergeht und der Kandidat in den Kreis der Seligen aufgenommen werden kann. Das letzte Urteil hat aber der Papst, er kann dem Votum der Kardinäle zustimmen, es aber auch ablehnen. Wird das Verfahren fortgesetzt, so muss dann für die Person nachgewiesen werden, dass sie ein Wunder bewirkt oder einen heldenhaften Märtyrertod erlitten hat – erst dann kann es zur Heiligsprechung kommen. Ausführliche Infos zum gesamten Verfahren, das etwa 250.000 Euro kostet, finden Sie unter http://www.katholisch.de/glaube/unsere-vorbilder
Neben ihrer Rolle als Glaubensvorbilder hatten Heilige in der katholischen Kirche über Jahrhunderte hinweg auch die Funktion eines Fürsprechers vor Gott. Anders dagegen in der evangelischen Kirche - hier wird die Auffassung vertreten, dass jeder getaufte Gläubige direkt mit Gott kommunizieren und als einziger Fürsprecher Jesus Christus angerufen kann. Die Heiligenverehrung bzw. –frömmigkeit hat deshalb in den evangelischen Kirchen keine Tradition. Sie betont vielmehr, dass durch die Taufe und das Bekenntnis zu Gott und Jesus Christus jeder Mensch in die "Gemeinschaft der Heiligen" aufgenommen wird. Dementsprechend gibt in den evangelischen Kirchen auch keine offiziellen "Heiligsprechungen", die feststellen, dass jemand das "Ziel des Glaubens" bereits erreicht hätte und "bei Gott angekommen" sei.
Auch in der katholischen Kirche werden die Heiligen – spätestens seit dem 2. Vatikanischen Konzil – weniger als Fürsprecher interpretiert, sondern ihre Rolle als Vorbilder im Glauben betont. Zwar gibt es nach wie vor offizielle Selig- und Heiligsprechungen durch den Papst, streng genommen sind aber auch nach katholischem Verständnis alle Getauften heilig, weil sie geheiligt worden sind durch Jesus Christus.