Weihnachten: vom Sinn des Schenkens
Freitag, 25.12.2015
Tanne oder Fichte, echte Kerzen oder lieber elektrische, einfacher Kartoffelsalat oder üppiger Gänsebraten – die Traditionen rund um das Weihnachtsfest sind unterschiedlich. Nur in einem Punkt sind sich (fast) alle einig: Ohne Geschenke geht gar nichts.
Als Vorbild und "Initiator" der Geschenktradition gilt der Heilige Nikolaus, Bischof von Myra. Der Legende nach warf er drei Mädchen jeweils einen Goldklumpen durch das geöffnete Fenster, um ihnen ein sittliches Leben zu ermöglichen. Ohne dieses Geschenk hätten die Mädchen keine Mitgift und daher auch keine Chance auf eine Heirat gehabt. Lange Zeit über war der Nikolaus der einzige Gabenbringer, der unerkannt die Kinder beschenkte.
Dies geschah allerdings nie zu Weihnachten, sondern stets an seinem Namenstag, am 6. Dezember. Doch das änderte sich in Folge der Reformation im 16. Jahrhundert: Martin Luther – so erklärt es der Theologe Dr. Manfred Becker-Huberti – "schafft das Schenken auf Nikolaus ab, weil er den Nikolaus abschaffen will – als Vermittler. Den braucht er nicht mehr. In seiner Theologie ist es nicht vorgesehen, dass Heilige als Vermittler auftreten. (….) Luther hat das Schenken dann verlegt auf Weihnachten."
Aber damit hat Martin Luther gleichzeitig ein neues Problem in die Welt gesetzt. Denn nun taucht die Frage auf, so Manfred Becker-Huberti: "Wenn denn Weihnachten geschenkt wird, wer schenkt denn da? (…) Irgendwer musste da her. Und im Elsass entdeckte Luther eine Figur: das Christkind. Und das Christkind schenkt seitdem". Allerdings besucht es über Jahrhunderte nur evangelische Familien. Die Katholiken wollten weder Weihnachten als Schenktermin noch das Christkind akzeptieren. Sie bestanden auf "ihrem" Nikolaus.
Das änderte sich erst im Krieg von 1870/71, als die katholischen Rheinländer an der Seite der evangelischen Preußen gegen Frankreich kämpfen mussten, erklärt Becker-Huberti: "Die Preußen haben (…) in die Schützengräben Christbäume gestellt. Und das war das erste Mal, wo Katholiken das direkt erlebten, was sie vorher strikt abgelehnt haben. Und so kommt der Christbaum bei den Katholiken ran. Und wenn dann zu Weihnachten geschenkt wird, da braucht man die Geschenkfigur. Und wenn bei der evangelischen Seite es schon eine gibt – na gut, die kann auch katholische Kinder beschenken. Und so kommt (…) das Christkind langsam aber sicher auch zu den Katholiken."
Bis heute ist nicht festgelegt, wie das Christkind aussieht. Hat es Flügel, ist es männlich oder weiblich - man kennt nicht mal sein Alter. Nur in einem Punkt ist man sich einig, sagt Manfred Becker-Huberti - und da sind dann auch evangelische und katholische Traditionen wieder ganz nah beieinander: "Das Christkind (…) schenkt eben wie Nikolaus. Es ist selber gar nicht mehr zu sehen, es war gerade da, das Glöckchen hat gebimmelt, der Vorhang bewegt sich noch, als Kind kommt man rein, die Geschenke liegen da und im Rheinland heißt es: Dat Christkind is fott – also es war nicht zu sehen."
Ethnologen zufolge ist das Phänomen des Schenkens praktisch weltweit verbreitet und dient aus ihrer Sicht vor allem der Beziehungspflege. Fast überall sind Geschenke dabei an bestimmte Rituale wie Geburts- oder Feiertage gebunden. In einem epd-Bericht beschreibt der Kultursoziologe Gerhard die Geschenktradition so: "Beziehungen, die letztlich nie vollkommen stabil sind, derer wir uns (...) letztlich nie vollkommen sicher sein können, sollen durch Geschenke stabil gehalten werden."