Zachäus-Kampagne für gerechteres Steuersystem

von Friederike Ursprung

Sonntag, 02.10.2022

Puppen: Polizei verhaftet Steuerhinterzieher
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Die Schäden durch Steuervermeidung und Steuerhinterziehung weltweit werden auf bis zu eine Billion Euro pro Jahr geschätzt. (Foto: Pixabay)

Spätestens seit den geleakten Pandora-Papers weiß die Welt, wie superreiche Privatpersonen und Konzerne ihr Geld vor dem Fiskus in Sicherheit bringen – u.a. durch komplizierte Firmengeflechte, in denen Gewinne verschoben und in Steueroasen geparkt werden.

Das Webportal kontrast.at rechnet beispielhaft vor, wie z.B. österreichische Unternehmensgewinne zum Finanzplatz Zypern mit einem Steuersatz von lediglich 12,5 Prozent verlagert werden: „Man gründet eine Tochterfirma mit Sitz in einem Niedrigsteuerland. Diese verrechnet dem Mutterkonzern, der die tatsächliche Wertschöpfung betreibt, überteuerte Leistungen. Etwa Gebühren für Lizenzen, Marken- oder Namensrechte, technisches Know-how oder die Lieferung von Rohstoffen. Dadurch schmälern sich die Gewinne des Mutterkonzerns und wandern zur Tochterfirma im Niedrigsteuerland. Der zu versteuernde Betrag verkleinert sich massiv. Den Staaten entgehen dadurch Milliarden.“

Einen anderen Steuertrick – den „Double Irish, Dutch Sandwich“ - beschreibt das Börsenportal des Magazins „FOCUS“: „Er wird vor allem von Konzernen in Europa angewandt. Alleine Googles Mutterfirma Alphabet schleuste damit 2017 rund 20 Milliarden Euro am Fiskus vorbei. Der funktioniert so: Der Konzern gründet eine Tochterfirma in Irland, verlegt deren Firmensitz aber in ein Steuerparadies wie die Bermudas oder Cayman Islands. Hier werden ausländische Konzerne nicht besteuert. Die meist armen Staaten wollen damit Investoren anlocken. Dieser Briefkastenfirma wird nun das geistige Eigentum an den Produkten übertragen, also zum Beispiel die Rechte an Googles Software, dem Logo von Starbucks, den Möbelnamen von Ikea und so weiter. Dann gründet der Konzern eine zweite Firma in Irland, die diesmal dort ihren Firmensitz hat und im dortigen Handelsregister eingetragen ist. Sie hat zwei Aufgaben: Erstens sammelt sie alle Gewinne der europäischen Ableger des Konzerns ein und führt zweitens alle Lizenzgebühren an die Briefkastenfirma im Steuerparadies ab. Der Clou daran: Kapitalgesellschaften wie eben die Briefkastenfirma werden in Irland nicht besteuert, wenn sie dort nicht ihren Firmensitz haben. Deswegen ist es so wichtig, die Briefkastenfirma zwar ins irische Handelsregister einzutragen (so bleiben die Gewinne aus den Lizenzen rechtlich in Europa), den Steuersitz aber in eine Steueroase zu verlagern. Abgaben müsste ein Konzern jetzt nur auf die Reingewinne der irischen Tochter entrichten, die die Gewinne aus Europa einsammelt. Die macht aber kaum Gewinn, weil sie eben die hohen Lizenzgebühren auf die Bermudas überweisen muss – bei Alphabet 2017 eben 19,9 Milliarden Euro. Der Trick hat aber einen Haken, denn so einfach lässt sich der irische Fiskus dann auch nicht austricksen: Auf die Lizenzzahlungen auf die Bermudas müsste Google in Irland eine Quellensteuer entrichten. Das ist so eine Art Zollabgabe auf Geldüberweisungen. Sie liegt bei 20 Prozent. Innerhalb der EU werden aber keine Quellensteuern fällig. Genau das nutzen die Konzerne aus: Die in Irland gesammelten Lizenzgebühren werden nicht direkt auf die Briefkastenfirma im Steuerparadies überwiesen, sondern über eine weitere Tochterfirma in den Niederlanden. Die niederländische Firma sammelt alle Lizenzgebühren ein und überweist diese auf die Bermudas. Das muss über unser Nachbarland gehen, weil die Niederlande als eines der wenigen EU-Länder keine Quellensteuer bei Auslandsüberweisungen abziehen. Der „Double Irish, Dutch Sandwich“ ist nicht nur bei US-Riesen beliebt. Auch BASF schafft es damit seit Jahren, seine Steuerlast zu drücken und liegt deswegen stets im hinteren Teil der Dax-Steuerzahlungen.“

In den vergangenen Jahren sind diese und andere Steuervermeidungspraktiken durch sogenannte Leaks aufgedeckt und von Journalisten*innen veröffentlicht worden – so etwa die Panama-Papers (2016), die Paradise-Papers (2017) und die Pandora-Papers (2021). Die Enthüllungen zeigten: Nicht nur Großkonzerne und Superreiche nutzen Briefkastenfirmen, Offshore-Konten und Steuerparadiese, um möglichst viel Geld vor staatlichen Zugriffen in Sicherheit zu bringen. Auch Künstler, Politiker und Staatenlenker verstecken ihr Geld in Briefkastenfirmen, Trusts und Stiftungen. Der Norddeutsche und der Westdeutsche Rundfunk (NDR Info und WDR 3) haben die geleakten Paradise Papers unter dem Titel „Im Schattenreich der Steueroasen“ zu einem 7teiligen Podcast verarbeitet: https://www.ndr.de/nachrichten/info/podcast4360.html

Weltweit, so schätzen Experten, sparen Konzerne jedes Jahr mit Steuertricks zwischen 500 Milliarden und einer Billion Dollar ein. Unterstützt werden sie dabei sowohl von konzerneigenen Juristen und Finanzabteilungen, als auch von „international tätigen Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungskanzleien wie PricewaterhouseCoopers (PwC), Ernst & Young, Deloitte oder KPMG. Auf ihren Internetseiten werben sie mit »Maßnahmen zur Optimierung von Steuerzahlungen von Großkunden«, schreibt kontrast.at.

Solche Möglichkeiten haben Durchschnittsverdiener kaum. Ihre Steuern werden gleich vom Lohn abgezogen und landen ohne Umwege im Staatssäckel. Den größten Teil der staatlichen Steuereinnahmen bilden deshalb die Steuern auf Arbeit (Lohn- und Einkommensteuer), gefolgt von der Mehrwertsteuer, die jeder Konsument bei seinen Einkäufen zahlt. Erst an dritter Stelle stehen die Steuereinnahmen aus Körperschaften und Unternehmensgewinnen.

Das christlich-ökumenische Netzwerk KairosEuropa setzt sich seit seiner Gründung 1990 für mehr wirtschaftliche Gerechtigkeit ein. Dazu gehört auch die Steuergerechtigkeit. KairosEuropa unterstützt deshalb auch die weltweite „Zachäus-Kampagne“, eine gemeinsame Initiative des Ökumenischen Rates der Kirchen, des Lutherischen Weltbundes, der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen, des Weltrates Methodistischer Kirchen und des Weltmissionsrates. Über den Ursprung und die Ziele der Kampagne heißt es auf der entsprechenden Internetseite:

„Namensgeber der Kampagne ist der Zöllner und Steuereintreiber Zachäus, der als Teil des kolonialen Militär- und Finanzsystems zu Lebzeiten Jesu für Christ*innen eine durchaus geläufige Figur ist. Wer die Zachäus-Geschichte aus dem Lukasevangelium kennt, wird erahnen, dass es der Kampagne um radikale Veränderungen geht. Denn als Jesus sich zu ihm nach Hause einlud, bewirkte diese Begegnung bei Zachäus eine fundamentale Umkehr, Reue und Wiedergutmachung eingeschlossen: Er versprach nach der Begegnung mit Jesus, die Hälfte seines Besitzes an die Armen zu geben und das Vierfache sogar denjenigen, die er betrogen hatte. Diese Verwandlung des Zachäus steht sinnbildlich für die notwendigen Veränderungen unserer gegenwärtigen weltwirtschaftlichen Zusammenhänge, damit auch die Benachteiligten an den Früchten unseres Reichtums teilhaben. Im Konzeptpapier der Kampagne heißt es: »Das globale Wirtschafts- und Finanzsystem ist sündhaft und unterdrückerisch; mit ihm gehen die Armut der Vielen und hohe Profite für einige Wenige einher. Diese Ungleichheit beruht auf der systematischen Ausbeutung eines großen Teils der Menschheit und der natürlichen Umwelt.« Aus diesem Grund machen die ökumenischen Träger der Kampagne in den Themenbereichen Steuergerechtigkeit und Wiedergutmachung eine zentrale Herausforderung an unsere weltweite Ordnung aus und verstehen sie als unverzichtbare Bausteine für die Schaffung einer zukünftigen. Vor allem Steuern und die faire und nachhaltige Besteuerung von Rohstoffen, Gütern und Dienstleistungen sowie allen Arten von Einkommen und Vermögen werden als ein zentrales Instrument erachtet, um Reichtum innerhalb und zwischen Ländern gerecht zu (ver-)teilen sowie Unternehmen und Bürger*innen im Hinblick auf ihre Verantwortung für die Wahrung des Gemeinwohls, einschließlich der globalen Gemeingüter, über Steuern gemäß dem Prinzip der Leistungsfähigkeit zur Verantwortung zu ziehen.“

Die in unserem Radiobeitrag erwähnte Kampagne Tax Me Now wurde als Verein von der Wiener Studentin Marlene Engelhorn gegründet. Von ihrer Großmutter wird die 30jährige einen zweistelligen Millionenbetrag erben. Trotzdem – oder besser gesagt: gerade deshalb setzt sie sich für eine höhere Besteuerung großer Vermögen ein. Im Interview mit dem SPIEGEL sagt Engelhorn: „Ich bin ja schon hinter der Ziellinie zur Welt gekommen. Andere werden noch nicht mal an der Startlinie geboren.“ Indem sie selbst höhere Abgaben auf ihr Erbe tätigt, will sie dazu beitragen, die Ungleichheit und die strukturelle Macht zu reduzieren, in die man hineingeboren wird. Den ganzen Artikel gibt es hier.

Sonntag, 02.10.2022